Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970 (36)

element der Saarpolitik in der Übergangszeit reaktiviert wurde. Des weiteren leistete 
das Memorandum eine Neuorientierung der Landespolitik in Fragen grundlegender 
Bedeutung und beendete damit die regionalpolitischen Richtungsdebatten, die in den 
Jahren zuvor sowohl zwischen den Parteien, vor allem aber auch innerhalb der CDU 
zu heftigen Konfrontationen geführt hatten. Die partielle Neubewertung der saarlän¬ 
dischen Geschichte, das auf dieser Basis entwickelte Programm mit umfangreichen 
Reformvorschlägen sowohl gegenüber der Landespolitik als auch gegenüber dem 
Bund, vor allem aber die eindeutige Ausrichtung auf das Wachstumsziel als Leit¬ 
gedanke regionaler Wirtschaftspolitik markierten wesentliche Orientierungspunkte für 
die weitere innersaarländische Diskussion und deren Wahrnehmung in der Bundesre¬ 
publik. Das Memorandum stellte aber auch den Auftakt einer Reorganisation der 
Regierungsstrukturen dar: Mit der Einrichtung einer eigenen Planungsgruppe beim 
Ministerpräsidenten, die für die Ausgestaltung des Strukturprogramms Saar verant¬ 
wortlich war, wurden strategische Kompetenzen, die früher in den einzelnen Mini¬ 
sterien angesiedelt waren, im Umfeld der Staatskanzlei konzentriert. Dies entsprach 
nur teilweise den interministeriellen Lenkungsausschüssen, die z.B, in der Übergangs¬ 
zeit als zentrale Schaltstelle politischer Bürokratie gedient hatten, denn in die Arbeits¬ 
gruppe wurde eine Vielzahl von Experten und Spezialisten aus dem Umfeld der 
innersaarländischen wissenschaftlichen Diskussion integriert. 
Man kann daher davon sprechen, daß mit der Aufarbeitung der wirtschaftlichen und 
politischen Probleme der Jahre 1966/67 als regionale Wirtschaftskrise die Landespo¬ 
litik grundlegend reformiert wurde. Die Strukturen der Landespolitik waren nun dem 
bundesdeutschen föderalistischen Modell weitgehend angepaßt. Die vielfältigen 
Inkompatibilitäten, die anfangs während der Übergangszeit hatten beseitigt werden 
sollen, waren insofern erst jetzt überwunden, als die saarländische Politik sich fast 
nahtlos in das bundesdeutsche System von Regional- und Finanzpolitik einfugte. Die 
zu Anfang des Jahrzehnts im Gefolge der Übergangszeit aus früheren Konzeptionen 
der Landespolitik entwickelte Regionalpolitik wurde damit zur regionalen Struktur¬ 
politik weiterentwickelt. Mehr als zehn Jahre nach dem Referendum hatte sich aber 
auch die Saarwirtschaff weitgehend in die bundesdeutsche Ökonomie eingefügt: Die 
konjunkturellen Zyklen hatten sich fast vollständig angenähert und auch die meisten 
Sondereffekte waren spätestens mit der Weiterentwicklung der europäischen In¬ 
tegration 1968 hinfällig geworden. Insbesondere die Depression derjenigen Sektoren, 
die das alte Industriegebiet gekennzeichnet hatten, folgte nunmehr den Bedingungen 
der bundesdeutschen Energiepolitik und dem hier etablierten ordnungspolitischen 
Subventionsmodell. 
Dieser Entwicklungsschritt ist, aus der Perspektive des Referendums über die Saar¬ 
frage betrachtet, als Abschluß des Projektes der Eingliederung zu verstehen. Erst 
jetzt, mehr als zehn Jahre nach der Entscheidung für die Bundesrepublik, waren die 
letzten Sonderlasten aus der Phase der Teilautonomie größtenteils beseitigt und das 
während der Übergangszeit entwickelte Programm einer Angleichung von politischen 
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