element der Saarpolitik in der Übergangszeit reaktiviert wurde. Des weiteren leistete
das Memorandum eine Neuorientierung der Landespolitik in Fragen grundlegender
Bedeutung und beendete damit die regionalpolitischen Richtungsdebatten, die in den
Jahren zuvor sowohl zwischen den Parteien, vor allem aber auch innerhalb der CDU
zu heftigen Konfrontationen geführt hatten. Die partielle Neubewertung der saarlän¬
dischen Geschichte, das auf dieser Basis entwickelte Programm mit umfangreichen
Reformvorschlägen sowohl gegenüber der Landespolitik als auch gegenüber dem
Bund, vor allem aber die eindeutige Ausrichtung auf das Wachstumsziel als Leit¬
gedanke regionaler Wirtschaftspolitik markierten wesentliche Orientierungspunkte für
die weitere innersaarländische Diskussion und deren Wahrnehmung in der Bundesre¬
publik. Das Memorandum stellte aber auch den Auftakt einer Reorganisation der
Regierungsstrukturen dar: Mit der Einrichtung einer eigenen Planungsgruppe beim
Ministerpräsidenten, die für die Ausgestaltung des Strukturprogramms Saar verant¬
wortlich war, wurden strategische Kompetenzen, die früher in den einzelnen Mini¬
sterien angesiedelt waren, im Umfeld der Staatskanzlei konzentriert. Dies entsprach
nur teilweise den interministeriellen Lenkungsausschüssen, die z.B, in der Übergangs¬
zeit als zentrale Schaltstelle politischer Bürokratie gedient hatten, denn in die Arbeits¬
gruppe wurde eine Vielzahl von Experten und Spezialisten aus dem Umfeld der
innersaarländischen wissenschaftlichen Diskussion integriert.
Man kann daher davon sprechen, daß mit der Aufarbeitung der wirtschaftlichen und
politischen Probleme der Jahre 1966/67 als regionale Wirtschaftskrise die Landespo¬
litik grundlegend reformiert wurde. Die Strukturen der Landespolitik waren nun dem
bundesdeutschen föderalistischen Modell weitgehend angepaßt. Die vielfältigen
Inkompatibilitäten, die anfangs während der Übergangszeit hatten beseitigt werden
sollen, waren insofern erst jetzt überwunden, als die saarländische Politik sich fast
nahtlos in das bundesdeutsche System von Regional- und Finanzpolitik einfugte. Die
zu Anfang des Jahrzehnts im Gefolge der Übergangszeit aus früheren Konzeptionen
der Landespolitik entwickelte Regionalpolitik wurde damit zur regionalen Struktur¬
politik weiterentwickelt. Mehr als zehn Jahre nach dem Referendum hatte sich aber
auch die Saarwirtschaff weitgehend in die bundesdeutsche Ökonomie eingefügt: Die
konjunkturellen Zyklen hatten sich fast vollständig angenähert und auch die meisten
Sondereffekte waren spätestens mit der Weiterentwicklung der europäischen In¬
tegration 1968 hinfällig geworden. Insbesondere die Depression derjenigen Sektoren,
die das alte Industriegebiet gekennzeichnet hatten, folgte nunmehr den Bedingungen
der bundesdeutschen Energiepolitik und dem hier etablierten ordnungspolitischen
Subventionsmodell.
Dieser Entwicklungsschritt ist, aus der Perspektive des Referendums über die Saar¬
frage betrachtet, als Abschluß des Projektes der Eingliederung zu verstehen. Erst
jetzt, mehr als zehn Jahre nach der Entscheidung für die Bundesrepublik, waren die
letzten Sonderlasten aus der Phase der Teilautonomie größtenteils beseitigt und das
während der Übergangszeit entwickelte Programm einer Angleichung von politischen
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