1 Die Rezession der Jahre 1966/67 als regionale Wirtschaftskrise
1.1 Die Neufassung der Regionalpolitik in der Bundesrepublik und die regionale
Wirtschaftskrise
1.1.1 Die Neufassung der Regionalpolitik in der Bundesrepublik
Die ökonomische Krise der Jahre 1966/67 bedeutete in der Wirtschaftspolitik der
Bundesrepublik einen markanten Einschnitt.1 Erstmals trat ein starker Abschwung der
wirtschaftlichen Aktivität der Bundesrepublik auf, der zuletzt sogar ein Schrumpfen
der Volkswirtschaft mit sich brachte. Damit warein über lange Jahre hinweg erfahre¬
nes - und inszeniertes - bruchloses Wachstum beendet.2 Ein Teil der Forschung sieht
in dem konjunkturellen Einbruch der späten 60er Jahre das nach dem Absinken der
Investitionstätigkeit der deutschen Wirtschaft seit 1964 absehbare Ende des Nach-
kriegs-Booms.3 Allerdings geriet auch die Politik auf Bundesebene in die Kritik: Ein
wichtiger Grund dafür, daß der konjunkturelle Einbruch sozusagen verfrüht, nämlich
vor der im europäischen Maßstab als Ende der Nachkriegsprosperität anerkannten
ersten Hälfte der 70er Jahre eintrat, wird in gewissen konjunkturdämpfenden
Maßnahmen der Bundesbank erkannt, die ab 1965 verstärkt das Mittel der Geldmen¬
genpolitik einsetzte und damit die Rezession auslöste.4 5 Ein anderer Argumentations¬
strang ordnet die Krise in die „Logik dezentraler Entscheidungsmuster“ zwischen
Bundesbank und Außenwirtschaftspolitik der Bundesregierung ein" und sucht ihre
Auslöser vor allem in einer prozyklischen Politik der Bundesregierung und in ein¬
zelnen Maßnahmen der unmittelbaren Vorgeschichte der Krise, wie z.B. der Ein¬
führung der Kuponsteuer, also dem Versuch, den deutschen Markt für ausländische
1 Einen schnellen Überblick bieten Wagner (Bearb.), Chronologie, und Ralf Rytlewski u. Ralf Opp de
Hipt, Die Bundesrepublik Deutschland in Zahlen 1945/49-1980. Ein sozialgeschichtliches Arbeitsbuch,
München 1987 (= Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte 4).
: Und dies, obwohl sich dieser Einbruch in Perspektive der neuen Aufgaben in Wirtschafts- und Finanz¬
politik nach Erreichen der „Grenzen des Wachstums“ Mitte der 70er Jahre vergleichsweise harmlos
darstellte. Christoph von Roehl, Große Depression und Stagflation. Eine kritische Analyse der deutschen
Wirtschaftspolitik 1927/33 und 1970/86, Göttingen 1988, wählt konsequenterweise in seiner vergleichen¬
den konjunktur- und finanzpolitischen Analyse den Ansatzpunkt zwar im Stabilitätsgesetz, untersucht aber
die Wirtschaftspolitik erst ab 1970, vgl. ebd., S. 20.
3 Ganz klar formuliert Harald Winkel, Die Wirtschaft im geteilten Deutschland 1945-1970, Wiesbaden
1974, S. 76, diesen Standpunkt: „Die Krise des Jahres 1966 ist im wesentlichen bedingt durch das
Auslaufen des Nachkriegs-Booms.“ Zur Forschungskontroverse vgl. Ambrosius, Staat, S. 108.
4 So bereits Winkel, Wirtschaft, S. 87, differenzierter Bellers, Außenwirtschaftspolitik, S. 277,
Hans-Hagen Härtel, Wechselwirkungen von Geldpolitik, Inflation und Strukturwandel, Hamburg 1984 (=
Analyse der strukturellen Entwicklung der deutschen Wirtschaft, Ergänzungsband), bes. S. 160ff., und
Hardach, Marktwirtschaft, S. 212. Ausführlich zu den methodischen und theoretischen Problemen Michael
Holstein, Moderne Konjunkturtheorie: Reale Schocks, multiple Gleichgewichte und die Rolle der Geld¬
politik, Marburg 1998.
5 Umfassend hierzu Helge Berger, Konjunkturpolitik, S. 250. Egbert Osterwald, Die Entstehung des
Stabilitätsgesetzes. Eine Studie über Entscheidungsprozesse des politischen Systems, Frankfurt a.M. 1982,
bes. S. 39ff„ kommt zu einer extrem negativen Wertung der Finanz- und Konjunkturpolitik der Bundes¬
regierung.
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