Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970

Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Kultur- und Bildungsgeschichte 
führt.“198 
Auch greift an dieser Stelle die von Axel Flügel pointiert vorgetragene Kritik von der 
„Überforderung des Historikers“ durch den Anspruch einer in Grenzen unbegrenzten 
„Totalgeschichte“ der Region.19'' Diese stellt sich nicht nur als Quellenproblem dar, 
wenn selbst bei einem Projektdesign, das einem institutionell-administrativen Ansatz 
folgt und die Länder in ihren Grenzen mit „Region“ gleichsetzt, die z.B. zur Er¬ 
stellung mentaler Landkarten notwendigen Quellen zur Vergangenheit in der Regel 
nicht vorliegen,200 sondern verweist auch auf methodische Schwierigkeiten. Es ist zu 
bedenken, ob der „totalgeschichtliche“ Ansatz nicht „über den Charakter der gesell¬ 
schaftlichen Verhältnisse selbst und über den Grad der kulturellen Kohärenz einer 
Gesellschaft hinaus [geht]“.201 Dieser Kritik folgend, wählt ein nennenswerter Teil 
der regionalwissenschaftlich grundgelegten Arbeiten zur Geschichte der Bundesre¬ 
publik nicht die Bundesländer, sondern anders abgegrenzte Regionen als Untersu¬ 
chungsgegenstand.202 
Noch weiter geht der Teil der Forschung, der sogar die Irrelevanz der Bundesländer 
nachzuweisen sucht. Besonders heftig polemisiert Peter Heil gegen das Land Rhein¬ 
land-Pfalz: Nachdem er bereits die ideologischen Züge der Föderalismus-Debatten in 
der Nachkriegszeit betont hatte,211’ entschied er sich für die These, daß es kein rhein¬ 
198 Emst Hinrichs, Regionalgeschichte, in: Carl-Hans Hauptmeyer (Hg.), Landesgeschichte heute, Göttin¬ 
gen 1987, S. 16-34, hier: S. 28. Pointierte Kritik an Festschriften und Jubiläumswerken der Bundesländer 
bringt auch Reusch, Föderalismus, S. I I 1, an. 
199 Axel Flügel, Chancen der Regionalgeschichte, in: Dillmann (Hg.), Prisma, S, 24-46. 
200 Dies mag sich in Zukunft ändern, wenn die seit den 70er Jahren verstärkt unternommenen Feldstudien 
und Interview-Kampagnen als Quellen zur Verfügung stehen - sofern diese neben der eigenen Auswertung 
auch die Rohdaten und die Untersuchungsmethode ausreichend dokumentieren. Vgl. Für das Saarland z.B. 
Roman Glauben u. Peter Pfahler, Solidarisches Handeln und regionale Kultur im Saarland und in Lothrin¬ 
gen. Eine Vorstudie, Saarbrücken 1986; Hans Treinen u. Hans Arthur Klein, Menschen an der Saar. Eine 
Bestandsaufnahme des Institutes für Sozialforschung und Sozial Wirtschaft, Saarbrücken 1977; Werner 
Kroeber-Riel, Gunter Franz Schneider u. Volker Trommsdorff, Das Image des Saarlandes. Ergebnisse 
einer Untersuchung über das Bild des Saarlandes aus der Sicht seiner Bevölkerung, seiner Nachbarn und 
seiner Zuwanderer, Saarbrücken 1972; dies., Das Image des Saarlandes. Ergebnisse einer Untersuchung 
über das Bild des Saarlandes in den Augen seiner Bevölkerung und seiner Nachbarn. Eine erste Aus¬ 
wertung, Saarbrücken 1971. 
201 Flügel, Chancen, S. 42. Völlig anders dagegen Berding, Identität, S. 92f„ der davon ausgeht, daß sich 
nach 1945 „in kürzester Zeit ... Bundesländer ... mit je eigenem politischen Profil“ entwickelten, und 
zwar - dem klassischen Föderalismus-Ansatz folgend - aufgrund der hohen integrativen Kraft, die von 
demokratisch legitimierten Staatswesen ausgeht. 
202 So zuletzt Nonn, Ruhrbergbaukrise, in dessen Ansatz die regionale Dimension der von ihm analysierten 
Netzwerke kollektiver Akteure im Entindustrialisierungsprozeß praktisch keine Rolle spielt. Ganz im 
Gegenteil spricht Nonn im Schluß seiner Arbeit sogar davon, daß die komplexer werdenden Problemlagen 
der postindustriellen Gesellschaft konventionelle - und hier ist auch zu denken: regional geordnete - 
Verteilungssysteme überforderten und neue gesellschaftliche Regelungssysteme notwendig machten, ebd., 
S. 383f. 
203 Peter Heil, Föderalismus als Weltanschauung. Zur Geschichte eines gesellschaftlichen Ordnungs¬ 
modells zwischen Weimar und Bonn, in: Geschichte im Westen 9 (1994), S. 165-182. Vgl. auch ders., 
„Gemeinden sind wichtiger als Staaten“. Idee und Wirklichkeit des kommunalen Neuanfangs in Rhein- 
262
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.