Ansätze liegen mittlerweile auch eine Reihe von Untersuchungen anderer Disziplinen
für die Bundesländer vor. Dabei wird der Begriff Region zunehmend in zwei grund¬
sätzlich unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, nämlich „bottom-up “ als Hand-
lungs- und Erfahrungsregion* 188 oder „top-down“189 als Anbindung regionaler Prozes¬
se an nationale Entwicklungen. Durch die Perzeption der „bottom-up-Ansätze“
konnte dabei der Anschluß der Erforschung der Bundesländer an die internationale
Regionalismusforschung hergestellt werden, gerade hinsichtlich der Frage nach dem
Stellenwert von Regionalismus in postindustriellen Gesellschaften.19'1 Die Ausein¬
andersetzung mit alternativen Region-Konzepten und der Methodenpluralismus als
„methodisches Erbe“ der Bundeslandgeschichte aus der Landesgeschichte191 193 er¬
möglichten es, „in Grenzen unbegrenzt“ subtile Beobachtungen über die Probleme
der Integration der Vertriebenen nach 1945 in Nordrhein-Westfalen|t,: in Zusammen¬
hang zu stellen mit ebenso differenzierten politikwissenschaftlichen Analysen zum
Parteiensystem und zur regionalen politischen Kultur des Landes.19’
sion von Kirsten Mensch, Wähler und Parteien: eine strategische Interaktion. Ein Überblick über die
neuere Wahl- und Parteienforschung, in: Neue Politische Literatur 44 (1999), S. 380-401.
188 Ullrich Hoffmann u. Manfred Huppertz, Lebensraum Ruhrgebiet. Räumliche Vorstellungsbilder im und
über das Ruhrgebiet, Essen 1992. Zum Konzept vgl. Ploch u. Schilling, Region, bes. S. 126, sowie
ausführlich: Detlef Briesen, Vom Kohlenpott zum Ruhrgebiet: Einige Beispiele kognitiver Kartographie
und die Konstruktion von Regionalbewußtsein durch Geschichte, in: ders., Gans u. Flender, Regionalbe¬
wußtsein, S. 145-192. Zur Einführung in den psychologischen Begriff der mentalen Landkarte: Roger M.
Downs u. David Stea, Kognitive Karten. Die Welt in unseren Köpfen, New York 1982. Zum Zusammen¬
hang zur Alltagsgeschichte vgl. Gert Zang, Die unaufhaltsame Annäherung an das Einzelne. Reflexionen
über den theoretischen und praktischen Nutzen der Regional- und Alltagsgeschichte, Konstanz 1985 (=
Schriftenreihe des Arbeitskreises für Regionalgeschichte Konstanz e.V. 6).
189 Diese Sichtweise spielt besonders im Zusammenhang mit der Planungsgeschichte eine wichtige Rolle,
auf die an anderer Stelle noch einzugehen sein wird. Als reine „Expertensicht“ wird diese Sichtweise - und
deren Untersuchung - nicht selten als eher konventionell, zu wirklichkeitsfremd und vor allem zur
Erarbeitung zukunftsfähiger Strategien ungeeignet kritisiert, vgl. Jürgen Aring, Bernhard Butzin, Rainer
Danielzyk u. Ilse Helbrecht, Krisenregion Ruhrgebiet? Alltag, Strukturwandel und Planung, Oldenburg
1989 (= Wahmehmungsgeographische Studien zur Regionalentwicklung 8), bes. S. 22ff. Interessanter¬
weise ist das wirkliche Potential dieses Ansatzes erst in jüngerer Zeit dargelegt worden, Holtmann,
Regionale Parteien, bes. S. 65f., sowie Josef Schmid, CDU, bes. S. 9ff.
190 Als „ein subnationaler oder grenzüberschreitender Prozeß gesellschaftlicher Mobilisierung und
Organisierung zur Verfolgung territorial definierter Interessen kultureller, politischer oder wirtschaftlicher
Art“ definiert, eignet sich der Begriff zum internationalen Vergleich; einen konzentrierten Überblick über
die methodischen und begrifflichen Probleme liefert: Gerhard Brunn, Regionalismus in Europa, in:
Comparativ 5 (1995), S. 23-39.
191 Detlef Briesen, Region, Regionalismus, Regionalgeschichte - Versuch einer Annäherung aus der
Perspektive der neueren und Zeitgeschichte, in: Gerhard Brunn (Hg.), Region und Regionsbildung in
Europa. Konzeptionen der Forschung und empirische Befände, Baden-Baden 1996 (= Schriftenreihe des
Instituts für Europäische Regionalforschung I), S. 151-162, hier: S. 152, spitzt diesen Gedanken in
folgender prägnanten Formulierung zu: „Wann und unter welchen Umständen begreift der Historiker
Zustände und Ereignisse als regional geordnet, also: Welche Vorstellungen haben Historiker vom
Regionalen?“
192 Ackermann, Aspekte, hier bes. S. 146.
193 Karl Rohe, Wahlen und Wählertraditionen in Deutschland. Kulturelle Grundlagen deutscher Parteien
und Parteiensysteme im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1992, hier bes. S. 1 lff. Vgl, hierzu auch:
Bernd Faulenbach, Entwicklungslinien der politischen Kultur des Ruhrgebiets, in: Rainer Schulze (Hg.),
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