Parteien sehr unterschiedliche Wege zu diesem Ziel: Während die Sozialdemokraten
ihre verfeindete saarländische Schwesterpartei organisatorisch frühzeitig integrierten,
benötigten die Christdemokraten hierzu viel länger.44 50 Im Zuge des Vereinigungs¬
prozesses kam es sogar zu einer weiteren Fragmentierung des Parteiensystems, als
mit der Gründung der Saarländischen Volkspartei (SVP) und der Christlich-Nationa¬
len Gemeinschaft (CNG) publikumswirksame Akteure ihre Unzufriedenheit mit dem
offiziellen Parteikurs ausdrückten. Zu der Demokratischen Partei des Saarlandes
(DPS), die nach weiten Teilen ihrer Programmatik und ihrer Parteigeschichte kaum
anders denn als regionale Sonderpartei zu bezeichnen ist, traten damit weitere
saar-spezifische Regionalparteien, deren Fortbestehen bis zur Mitte der 60er Jahre mit
dem bundesdeutschen Parteien-Modell kaum zu vereinbaren warf11
Weder mit dieser speziellen Situation noch mit den Besonderheiten der Wirtschafts¬
struktur und der ökonomischen Entwicklung im Saarland ist die seit der Nachkriegs¬
zeit (und dann bis in die 80er Jahre hinein) scheinbar ungebrochene Dominanz der
Christdemokraten als Mehrheits- und Regierungspartei zu erklären."’1 Diese Domi¬
nanz kann in den Zusammenhang gestellt werden mit bestimmten soziologischen
Besonderheiten des Saarlandes - wie z.B. dem hohen Katholikenanteil und der unge¬
wöhnlich engen Kirchenbindung weiter Teile der Bevölkerung -, sie kann aber auch
vor dem Hintergrund der im bundesdeutschen Föderalismus wie in der Persönlichkeit
Franz Josef Röders gleichermaßen angelegten besonderen Stellung von Ministerprä¬
sidenten als „Landesvater“ verstanden werden.52 In Verbindung mit dem über lange
Jahre hinweg immer wieder erwarteten, letztlich aber doch ausgebliebenen Aufstieg
der Sozialdemokraten aus ihrer prekären Situation als Oppositionspartei bzw. ständig
von Majorisierung bedrohtem Koalitionspartner verweist diese Dominanz aber auch
auf die Frage nach den Mechanismen, die in einer Phase ständiger Herausforderung
der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Opladen 1980, sowie Winfried Becker, Die Entwicklung der
Parteien im Saarland 1945 bis 1955 nach französischen Quellen, in: Hudemann u. Poidevin (Hgg.), Saar,
S. 253-296.
4t| Einen Überblick über die Arbeiten zur Christdemokratie bietet Markus Gestier u. Armin Herrmann, Die
Christliche Einigung an der Saar. CVP und CDU 1955-1959, in: Zeitschrift für die Geschichte der
Saargegend 48 (2000), S. 276-307; zur Forschungslage zu den sozialdemokratischen Parteien vgl.
Jean-Paul Cahn, Von der sozialistischen Einheit zum Bruch der Heimatbundregierung. Sozialdemokratie
an der Saar und ihr Verhältnis zum Parteivorstand der SPD von der Volksabstimmung bis zum Ende der
Heimatbundregierung (1955-1957), in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 25 (1999),
S. 603-624.
50 Jürgen W. Falter, Faktoren der Wahlentscheidung. Eine wahlsoziologische Analyse am Beispiel der
saarländischen Landtagswahl 1970, Köln, Berlin u.a. 1972.
51 Walter Kappmeier, Konfession und Wahlverhalten. Untersucht am Beispiel der Bundestagswahl 1976
und der Landtagswahl 1975 im Saarland, Frankfurt a.M. 1984.
52 Herbert Schneider, Ministerpräsidenten. Profil eines politischen Amtes im deutschen Föderalismus,
Opladen 2001; Winfried Steffani, Die Republik der Landesfursten, in: Gerhard A. Ritter (Hg.), Regierung,
Bürokratie und Parlament in Preussen und Deutschland von 1848 bis zur Gegenwart, Düsseldorf 1983, S.
181-213.
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