von einem „Strukturwandel größeren Ausmaßes“ durch diese Ansiedlungspolitik
spricht.41 wird die Politik jener Jahre von einem Teil der Beobachter harsch kritisiert
oder doch zumindest in ihrer Strukturwirksamkeit in Frage gestellt.10
Ähnlich disparat gestaltete sich auch die Meinungsbildung im saarländischen Land¬
tag. Schon in den ersten wirtschaftspolitischen Debatten nach der Landtagswahl 1960
forderte die SPD, Gelder für „Strukturuntersuchungen“ über die Saarwirtschaft
bereitzustellen, welche die Grundlage für eine planmäßig abzuwickelnde „Um¬
strukturierung“ der Wirtschaft bilden sollten." Diese Forderung entwickelte sich zu
Anfang der 60er Jahre immer mehr zur Grundlinie der Opposition. Diese begründete
Mißerfolge und negative Phänomene - nicht nur bei wirtschaftspolitischen Themen -
damit, daß die Arbeit der Regierung aufgrund des Fehlens von Plänen als konzeptio¬
nell unzulänglich bezeichnet werden müsse.1; Der Regierung wurde vorgeworfen,
(Hgg.), Grenz-Fall, S. 359-378, sowie die umfangreiche Fallstudie dies., „Vater Staat“ und „Mutter
Fürsorge“. Weibliche Angestellte im kommunalen Verwaltungsdienst am Beispiel der Stadt Saarbrücken
1910-1950: Arbeitsplätze, Berufsfelder, Biographien, St. Ingbert 1999, mit weiterführender Literatur, Die
lebensweltliche Perspektive betont Bärbel Kuhn, Haus Frauen Arbeit 1915-1965. Erinnerungen aus fünfzig
Jahren Haushaltsgeschichte, 2. Aull. St. Ingbert 1995. Einen quantitativen Zugang bietet: Franz Brandt
(Bearb.), Frauen zwischen Haushalt, Familie und Beruf. Zur Situation der Frau im Saarland. Empi¬
risch-soziologische Studie des ISO-lnstituts für Sozialforschung und Sozialwirtschaft, Saarbrücken 1974.
K Einen ausführlichen Überblick über die Ansiedlungstätigkeit im Saarland liefert: Der Chef der Staats¬
kanzlei u. Industrie- und Handelskammer des Saarlandes (Hgg.), Neue Betriebe an der Saar. Bestandsauf¬
nahme, Analyse, Perspektiven. Eine Auswertung der gemeinsam von der Staatskanzlei und der Industrie-
und Handelskammer des Saarlandes vorgenommenen Unternehmensbeffagung aus dem Jahre 1976 sowie
der gemeinsam von der Staatskanzlei und dem Statistischen Amt des Saarlandes erstellten Ansiedlungs¬
statistiken, vorgenommen von Hanspeter Georgi und Volker Giersch, Saarbrücken 1977. Die Analyse:
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hg.), Standortwahl 1955-1967. S. 88, kommt sogar zu dem
Ergebnis, daß die Phase zwischen 1961 und 1963 die stärkste Industrieansiedlung im Saarland gebracht
habe, wobei auch hier die innerregionale Verteilung der Ansiedlungsaktivität als besondere Leistung
herausgestellt wird. Aus statistischen Gründen sind die hier genannten Zahlen aber schwer mit denen des
Statistischen Landesamtes zu vergleichen. Den Vergleich zur Ansiedlungstätigkeit in anderen Regionen
Deutschlands erlaubt der ausführliche Zahlen- und Statistikteil bei Wittenberg, Industriebetriebe, passim,
sowie die Analyse der Ansiedlungstätigkeit bei Hans Brede, Bestimmungsfaktoren industrieller Standorte,
Berlin u. München 1971.
9 Karl Mathias (Hg.), Wirtschaftsgeographie des Saarlandes. Ein Beitrag zur Landeskunde, Saarbrücken
1980, S. 288. Vgl. zu dieser Bewertung auch die differenzierte und v.a. methodisch interessante Studie:
Günter Strassen u. Werner Fleck, Fallstudie Saarlouis/Saar zu regionalen Auswirkungen neuerrichteter
Industriebetriebe, in: Beiträge zur Raumplanung in Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, 4 Teile Hannover
1974-1983 (= Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung. Forschungs- und
Sitzungsberichte 91), Teil II 1975, S, 13-48.
10 Esser, Fach u. Fäth, Krisenregulierung, S. 59ff, kennzeichnen die Politik als „passive Sanierungs¬
strategie“. Kirchdörfer, Keynesianismus, S. 82, stellt fest: „Erst nach dem Schock der Wirtschaftskrise
[von 1966/67]... ergriff die Landesregierung konkrete Maßnahmen, um die Ansiedlung neuer Industrien
zu forcieren.“ und folgt darin einem Urteil von Jürgenhake, Mengelkamp u. Winter, Fallstudie, S. 15. Um
einiges ausgewogener urteilt übrigens bereits Klaus Bürger, Zweig- und Raumstrukturen der Industrie des
Saarlandes und ihre Veränderungen im Zeitabschnitt von 1960 bis 1970, Potsdam 1972, bes. S. 359 und
S. 375ff, der zwar die einseitg kapitalorientierte Förderpolitik als typisch kapitalistisch kritisiert, aber doch
immerhin von einer „Strukturveränderung“ spricht, wenn er auch die Bezeichnung „Strukturwandel“
ablehnt, weil weiterhin der Montansektor ein w ichtiges Element der Wirtschaftsstruktur blieb.
" LTDS, 4. WP, Abt. 1, 8. Sitzung v. 20.4.61, S. 313.
12 Die Vertreter der Opposition waren sich der enormen Reichweite des Schlagworts „Plan“ durchaus
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