Diskussion die wichtigste Nahtstelle für die Aufnahme der im Gutachterstreit ent¬
wickelten Reformvorschläge bildeten, im Zusammenhang mit der erst in der Über¬
gangszeit vorgenommenen Neuordnung des innersaarländischen Finanzausgleichs.
Gerade mit diesem letzten Reformprojekt der großen Koalition hatte man geglaubt,
die Voraussetzungen für eine auf Dauer tragfähige und den neuen Aufgaben an¬
gemessene Kommunalpolitik geschaffen zu haben. Noch weiter zurück reichte die
bildungspolitische Dimension dieses Problembereiches: Der Ausbau des konfessio¬
nell gegliederten und dislozierten Volksschulwesens hatte nach dem Zweiten Welt¬
krieg in der Perspektive vieler - nicht nur christdemokratischer - Politiker die an¬
gemessene Antwort auf die künftigen Anpassungs- und Modernisierungszwänge
dargestellt. Kaum mehr als ein Jahrzehnt später war dieses Vorhaben nun nicht mehr
nur praktisch unfinanzierbar, sondern schien auch den mittlerweile veränderten
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen nicht mehr zu entsprechen.
Noch stärker verknüpft mit der Politik der Teilautonomie und den problematischen
Bedingungen von Landespolitik im teilautonomen Saarstaat war der Arbeitsbereich
von Landesplanung und Raumordnung. Nach dem Referendum hatten die Landes¬
regierungen zwar sehr deutlich die Notwendigkeit einer Neuorientierung formuliert;
diese blieb jedoch in der Übergangszeit - womöglich auch bedingt durch die Vielzahl
der ansonsten notwendigen Anpassungsleistungen - weitgehend aus. Erst zu Anfang
der 60er Jahre wurde sie dann nachgeholt, wodurch dem Landesplanungsgesetz
immerhin der Rang als erster systematischer Versuch der Verarbeitung struktureller
Probleme zukommt. Insoweit bestätigt sich Michael Rucks These von der „Inkubati¬
on“ der Planungspolitik durch die Vorlage des Bundesbaugesetzes im Jahr 1960 am
saarländischen Beispiel teilweise.1611 Allerdings gestaltete sich der Neuansatz von
Raumplanungspolitik im Saarland nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil er mit dem
Übergang von einer bereits etablierten gemeindlichen Planung zu einer zentralen
föderalen Planung verbunden war.160 161 Bei diesem Übergang war nicht von vornherein
erkennbar, daß das neue Modell tatsächlich in allen Bereichen überlegen war.
Sowohl auf der Ebene der Perzeption als auch bei den ersten Versuchen zur politi¬
schen Verarbeitung entwickelte sich der regionale Strukturwandel im Saarland schon
zu Anfang der 60er Jahre somit zu einem außerordentlich komplizierten Problem.
Hinzu traten Probleme mit dem neuen institutioneilen und rechtlichen Rahmen von
160 Ruck, Planungsgeschichte, S. 364. Vgl. hierzu auch Umlauf, Entwicklungsgeschichte, S. 25. Im
Saarland wurde dieses Gesetz aber zunächst eher als Anreiz zu einer verstärkten Abstimmung der Lan¬
despolitik mit der gemeindlichen Planung interpretiert, wie z.B. die Einlassungen von Helmut Bulle -
immerhin in dieser Legislaturperiode der profilierteste Befürworter von Landesplanung innerhalb der CDU
- ausführte: LTDS, 4. WP, Abt. 1, 16. Sitzung v. 30.1.62, S. 694.
161 Eine ähnliche Situation kennzeichnete auch den Beginn der Landesplanung in Hessen, wo sich zunächst
eine Zeitlang die Investitionspolitik zu Lasten der Entstehung einer zentralen föderalen Planung durch¬
setzen konnte. Allerdings hatte in Hessen die Landesplanung Rückhalt im Wirtschaftsministerium, vgl.
Schulz zur Wiesch, Planungspolitik, S. 274. Die Einschätzung von Arthur Benz, Regionalplanung in der
Bundesrepublik Deutschland. Eine empirische Untersuchung zur Organisation und Problemlösungsfähig¬
keit, Münster 1982, hier: S. 25, der die Planung im Saarland als „staatlich“ kennzeichnet, ist als Ergebnis
einer Entwicklung in den 60er Jahren zu bezeichnen.
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