Instrumentarium bereit/ In unternehmensbezogenen Forschungsarbeiten, präzisen
Analysen der regionalen Wirtschaftsstruktur und auch in Untersuchungen über die
Auswirkungen der peripheren Lage des Industriegebiets im Grenzraum konnten damit
in interdisziplinärer Zusammenarbeit bereits wichtige Faktoren für die strukturellen
Veränderungen im Saarland während der 60er Jahre bestimmt werden.2* Allerdings
läßt schon der weiterhin überdurchschnittlich hohe Industrialisierungsgrad und auch
der weiterhin hohe Anteil an Industriearbeitsplätzen im Saarland Zweifel daran
aufkommen, daß diese Vorgänge als „Entindustrialisierung“ angemessen beschrieben
werden können.24 30 Erst recht gilt dies in der Perspektive der Landespolitik: Anders als
der Beitrag des Bergbaus zur Wirtschaftskraft des Landes - und zur Wohlstands¬
sicherung für viele Menschen - erwarten läßt, waren nämlich die Vorteile aus dem
Aufschwung der Kohlewirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg für die Finanzkraft
von Land und Kommunen im Saarland eher gering einzuschätzen. Die ungünstige
Kosten- und Sortenstruktur der saarländischen Kohleproduktion führte damals schon
zu einer ausgeprägten Ertragsschwäche, während gewisse Aspekte der zentralisierten
Organisation der Steinkohlenwirtschaft in einem durch die Régie des Mines franzö¬
sisch dominierten Staatsuntemehmen die Steuereinnahmen des Saarlandes aus der
Kohle weiter reduzierten.'11 Auch die Konjunkturabhängigkeit des Sektors, die die
regionale Wirtschaft immer wieder mit starken Schwankungen belastete, und die
teilweise aus der speziellen politischen Geschichte resultierende geringe Verflechtung
der Branchen innerhalb des Industriegebiets und der Wirtschaftsregion mit den
: Vgl. hierzu die Sammelbände von Joachim Jens Hesse (Hg.), Die Erneuerung alter Industrieregionen.
Ökonomischer Strukturwandel und Regionalpolitik im internationalen Vergleich, Baden-Baden 1988;
Manfred Hommel (Hg.), Umbau alter Industrieregionen, Stuttgart 1995 (=49. Deutscher Geographentag
Bochum 1); Hartmut Häußermann (Hg.), Ökonomie und Politik in alten Industrieregionen Europas.
Probleme der Stadt- und Regionalentwicklung in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien,
Basel u.a. 1992 (= Stadtforschung aktuell 36); Rainer Schulze (Hg.), Industrieregionen im Umbruch.
Historische Voraussetzungen und Verlaufsmuster des regionalen Strukturwandels im europäischen
Vergleich, Essen 1993 (= Veröffentlichungen des Instituts zur Erforschung der Europäischen Arbeiterbe¬
wegung 3); Heiderose Rüper u. Dieter Rehfeld (Hgg.), Konzern und Region. Zwischen Rückzug und
neuer Integration - internationale vergleichende Studien über Montan- und Automobilregionen, Münster
1994.
28 Peter Dörrenbächer, Unternehmerische Anpassungsprozesse. Ein industriegeographisches Arbeits¬
modell, dargestellt am Beispiel der Saarbergwerke AG, Saarbrücken 1992 (= Arbeiten aus dem Geographi¬
schen Institut der Universität des Saarlandes 38). Karl Mathias (Hg.), Wirtschaftsgeographie des Saar¬
landes. Ein Beitrag zur Landeskunde, Saarbrücken 1980. Dietrich Soyez u.a. (Hgg.), Das Saarland. Bd. 1
Beharrung und Wandel in einem peripheren Grenzraum, Saarbrücken 1989 (= Arbeiten aus dem Geogra¬
phischen Institut der Universität des Saarlandes 36).
29 Kritisch zu diesem ursprünglich aus der politischen Diskussion der 70er Jahre über die britische
Wirtschaft stammenden Konzept argumentiert schon: Helmut Lindner, Die De-lndustrialisierungsthese.
Eine Analyse ihrer empirisch-statistischen Grundlagen, Tübingen 1987. Seine Analyse der internationalen
Forschung zu diesem Begriff zeigt, daß seine Verortung im Kontext der Drei-Sektoren-Hypothese eine
Besonderheit der deutschsprachigen Perzeption darstellt. Deren Erklärungswert jedoch ist selbst für die
„eigentliche De-Industrialisierungsphase“, die von Lindner auf Basis umfangreicher statistischer Analysen
erst in den 70er Jahren angesetzt wird, eher gering einzuschätzen; vgl. ebd., S. 4, S. 167 und S. 309.
30 Sylvie Lefèvre, Das Saarland und die Wirtschaftsunion mit Frankreich (1949-1955), in: Hudemann,
Jellonnek u. Rauls (Hgg.), Grenz-Fall, S. 427-443.
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