Allerdings tut sich die historische Forschung mit der Analyse dieser Anfänge ver¬
gleichsweise schwer. Obwohl Axel Schildt schon vor einiger Zeit feststellen konnte,
daß „die 60er Jahre ... gewissermaßen objektiv auf der Tagesordnung der zeitge¬
schichtlichen Forschung“ stehen,9 kann - im Gegensatz zur 50er-Jahre-Forschung -
von den 60er Jahren noch nicht als von einem breit erforschten Arbeitsfeld gespro¬
chen werden. Ganz im Gegenteil kennzeichnet das nun auch schon fast zehn Jahre
alte Diktum, daß zu dieser Epoche erst noch „risikohafte erste Erkundungen“ vor¬
gelegt werden müssen, auch längst nach Ablauf der 30jährigen Archivsperrfrist
immer noch den aktuellen Forschungsstand.10 11 Hinzu kommt eine bemerkenswerte
Unsicherheit besonders der historischen Forschung im Umgang mit den Bundeslän¬
dern als Untersuchungsgegenstand. Hauptsächlich deren Gründungsgeschichte nach
dem Zweiten Weltkrieg wurde als Teil der spannungsreichen Neuordnung Deutsch¬
lands zwischen Besatzungspoiitik und deutschen Initiativen intensiv untersucht." Die
verschiedentlich unternommenen Versuche einer Ausweitung des Untersuchungs¬
zeitraums auf spätere Jahre jedoch trafen unter dem Verdikt der Apologetik oder gar
„törichter Kontinuitätskonstruktionen“ auf teilweise scharf formulierte methodische
Vorbehalte.12 Im saarländischen Fall tritt in methodischer Hinsicht noch die aufgrund
seiner Grenzlage stets zu berücksichtigende Perspektive grenzüberschreitender
Regionalforschung erschwerend hinzu.13
wußtsein in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1989, S. 59-72, hier: S. 59 und S. 63.
9 Axel Schildt, Einleitung, in: ders., Detlef Siegfried u. Karl Christian Lammers (Hgg.), Dynamische
Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000 (= Hamburger Beiträge zur
Sozial- und Zeitgeschichte 37), S. 11-20, hier: S. 12.
10 Axel Schildt, Nachkriegszeit. Möglichkeiten und Probleme einer Periodisierung der westdeutschen
Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg und ihrer Einordnung in die deutsche Geschichte des 20.
Jahrhunderts, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 44 (1993), S. 567-584, hier: S. 578.
11 Vgl. hierzu die einschlägigen Artikel in: Wolfgang Benz (Hg.), Deutschland unter alliierter Besatzung
1945-1949/55. Ein Handbuch, Berlin 1999. Einen breiten Überblick über Zugangsweisen zur Geschichte
der Bundesrepublik bieten Thomas Ellwein u. Everhard Holtmann (Hgg.), 50 Jahre Bundesrepublik
Deutschland. Rahmenbedingungen, Entwicklungen, Perspektiven, Opladen 1999 (= PVS Sonderheft 30).
12 Ulrich Reusch, Föderalismus in Vergangenheit und Gegenwart (1949-1989). Landeszeitgeschichtliche
Literatur zum Jubiläum der Bundesrepublik, in: Geschichte im Westen 5 (1990), S. 109-113, und v.a. Amo
Mohr, Politische Identität um jeden Preis? Zur Funktion der Landesgeschichtsschreibung in den Bundes¬
ländern, in: Neue Politische Literatur 35 (1990), S. 222-274.
13 Einen Überblick über die bisherigen Forschungsansätze gewähren Wolfgang Haubrichs, Wolfgang
Läufer u. Reinhard Schneider (Hgg.), Zwischen Saar und Mosel. Festschrift für Hans-Walter Herrmann
zum 65. Geburtstag, Saarbrücken 1995 (= Veröffentlichungen der Kommission für saarländische Landes¬
geschichte und Volksforschung 24). Zur Vernetzungen transnationaler Forschungsinitiativen vgl.
Hans-Walter Herrmann, Kooperierende landesgeschichtliche Forschung im internationalen Schnittpunkt:
Saarland-Lothringen-Luxemburg, in: Werner Buchholz (Hg.), Landesgeschichte in Deutschland. Bestands¬
aufnahme - Analyse - Perspektiven, Paderborn 1998, S. 383-397. In längerfristiger Perspektive: Rainer
Hudemann, Einleitung, Saar-Lor-Lux - Vernetzungen in einer europäischen Kemzone, in: ders. unter
Mitarbeit v. Marcus Hahn u. Gerhild Krebs (Hg.), Stätten grenzüberschreitender Erinnerung. Spuren der
Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière.
Traces et réseaux dans l'espace Saar-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, http://www.memotransfront.uni-
saarland.de
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