frühen Kooperation - das hatte das Scheitern der ersten Annäherungsversuche der
christlichen und sozialdemokratischen Parteien gezeigt - standen keine angemessenen
politischen Vorteile gegenüber.1 ’
Das Parlament als - neuer - Ort der politischen Auseinandersetzung zwischen den
Kontrahenten wies jedoch gewisse Eigenschaften auf, die den Umgang mit dieser
schwierigen Situation entscheidend prägten. Rein machtbehauptende oder auf Ver¬
drängung der Meinung des politischen Gegners angelegte Strategien - wie sie z.B.
noch die Konfliktftihrung im Abstimmungskampf bestimmt hatten - waren hier von
vornherein ohne Chance, weil allen Kräften prinzipiell das gleiche Recht zukam, ihre
Ansichten zu äußern. Ein deutliches Indiz für die relativ gemäßigte Vorgehensweise
der Kontrahenten aus dem Abstimmungskampf war der weitgehende Verzicht auf das
Mittel der Geschäftsordnungsdebatte im ersten Halbjahr 1956. Trotz der teilweise
leidenschaftlich geführten Sachdebatten sahen sich nur die Vertreter der Kommu¬
nistischen Partei mit derartigen Vorstößen - hier dann übrigens aller Fraktionen - zur
Aushebelung ihrer Initiativen konfrontiert.* 14 Eine wirkliche Diskussionsverweigerung
kam in den ersten Monaten der Parlamentsarbeit nur in einer Sitzung während des
Kommunalwahlkampfes 1956 vor, und zwar durch die CVP.1'' Wahrscheinlich hing
der Parlamentsauszug der Fraktion aber eher mit dem in der gleichen Sitzung fest¬
gestellten Ergebnis des Wahlprüfungsausschusses zusammen, nach dem die CVP ein
Mandat an die DPS abgeben mußte.16 Ansonsten waren dezidierte Äußerungen des
früheren Gegners offenbar sogar erwünscht, weil sie Gelegenheit boten, die eigene
Position abzugrenzen. Dies wurde bereits in der ersten Parlamentssitzung deutlich, in
1 Dies galt insbesondere ftir CDU und CVP. Bei den Sozialdemokraten war die Situation insofern anders,
als sie - aus der Minderheitensituation operierend - befürchteten, von einer schnell vereinigten Christdemo¬
kratie unversehens majorisiert zu werden. Dieser Gedankengang hat - obwohl er sich im Nachhinein als
Fehlspekulation erwies - maßgeblich zur Beschleunigung der Auflösung der SPS geführt, vgl. Cahn,
Sozialistische Einheit, S. 611.
14 Beispielsweise wurde noch ein Antrag der KP, die Präambel der Verfassung außer Kraft zu setzen, durch
geschickte Auslegung der Geschäftsordnung von der Tagesordnung genommen, nachdem alle Parteien ein
derartiges Vorgehen als „zu früh“ bezeichnet hatten, vgl. LTDS, 3. WP, Abt. I, 3. Sitzung v. 17.1,56, S. 79,
Auf ähnliche Weise scheiterte auch ihr Antrag zur Außerkraftsetzung des Flaggengesetzes eine Woche
später; Kurt Conrad (SPD) bezeichnete dabei diesen Antrag als „Propagandaantrag“, LTDS, 3. WP, Abt.
I, 4. Sitzung v. 24.1.56, S. 93.
Dabei zog die CVP-Fraktion geschlossen aus einer Sitzung aus, nachdem ihr Gesetzesvorschlag zur
Änderung des Diätengesetzes - Senkung der Diäten war eine Forderung des Heimatbundes aus der
Abstimmungszeit - von der CDU als Propagandaantrag bezeichnet worden war, LTDS, 3. WP, Abt. I, 14.
Sitzung v. 27.4.56, S. 305.
16 Zu den Details der Aberkennung des Mandats von Maria Schweitzer siehe Robert H. Schmidt, Saar¬
politik, Bd. 3 S. 388. Einen frühen Versuch der Einordnung dieses Vorgangs in das sich vor der Kommu¬
nalwahl w'ieder verschärfende Klima zwischen den Parteien unternahm Craddock, Saar-Problem, S. 477.
Gerhard Bauer glaubt, in der Aberkennung des Mandats noch ein gemeinsames Vorgehen des Heimat¬
bundes gegen die CVP erkennen zu können, vgl. Bauer, CDU, S. 64f„ Dagegen bewertet Cahn, Auflösung,
S. 309, der auch die rechtliche Grundlage der Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses referiert, diese
Aktion als Teil der DPS-Strategie, die durch ihre heftige Polemik gegenüber der CVP eine Vereinigung der
beiden C-Parteien sabotieren wollte. Wahrscheinlich ist dieser Interpretation am ehesten zuzustimmen, und
zwar besonders deshalb, weil sie sich auch mit den Rückschlägen des Einigungsprozesses zwischen CDU
und CVP im Frühsommer 1956 deckt, siehe: Gestier u. Herrmann, Christliche Einigung, S. 307.
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