wies. Mit der nassau-usingischen Herrschaftsübemahme begann für das Fürstentum
Nassau-Saarbrücken ein neues Zeitalter: Das Zeitalter des Reformabsolutismus. In
kaum einem Bereich des politisch-gesellschaftlichen Lebens der damaligen Zeit
wurde dieser epochale Neuanfang so einschneidend empfunden wie auf dem Gebiet
des Forstwesens,
c) Der forstpolitische Neuanfang unter nassau-usingischer Vormundschaft
Für die Gesellschaft der Vormodeme war der Wald von herausragender Bedeutung.
Werner Sombart, "vielleicht der einflußreichste deutsche Sozialwissenschaftler im
ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts"194, hat dies auf die beinahe schon
klassische Formel gebracht, "daß die Kultur vor dem 19. Jahrhundert ein ausgespro¬
chen hölzernes Gepräge" getragen habe195. In der Tat war der Wald nicht nur ein
zentraler Wirtschaftsfaktor, er prägte darüber hinaus auch die gesamte Kultur der
altständischen Gesellschaft196. Der Wald war Energie-, Rohstoff- und Nahrungsquelle
zugleich: "Er bot Balken und Schindeln für den Hausbau, Brennholz für den Herd,
Holzkohle für die Metallverhüttung und die Glasherstellung, Holz war das Material
für Pflug und Dreschflegel, für Bottiche und Eimer, für Hausgerät und Waffen, für
den Schiffsbau und die Bergwerke. Auch für die Viehhaltung war der Wald als
Weidegrund und Futterreserve für den Winter von großer Wichtigkeit"197. Kurzum:
Der Wald war für die Menschen der vorindustriellen Zeit lebensnotwendig. Von
daher war "die hervorragende Bedeutung der mittelalterlichen Forsten für die Terri¬
torialbildung" nicht weiter verwunderlich: "Der frühneuzeitliche Fürstenstaat er¬
blickte", wie Christof Dipper formulierte, "nicht von ungefähr in der Forsthoheit
einen wichtigen Bestandteil seines allgemeinen Herrschaftsanspruchs, der sich auch
wirtschaftlich nutzen ließ"198. Ja, man wird sagen können, wer die Macht über den
Wald erlangte, gewann zugleich die Macht über die Menschen. Die Forstpolitik war
demnach nicht irgendein, sondern ein ganz entscheidender Bereich herrschaftlicher
Politik des Ancien Régime.
194 Vgl. dazu jetzt die Biographie von Lenger, Sombart (zit. S.9).
195 Sombart, Kapitalismus II, S.l 138; vgl. auch ders., dass. III, S.99.
196 Umso erstaunlicher ist es, daß in den neueren Überblicksdarstellungen zum 18.Jahrhundert bzw. zur
Frühen Neuzeit die Waldwirtschaft nicht behandelt wird: Weder bei Wehlers Gesellschaftsgeschichte,
dessen erster Band über die Vormodeme geht, noch bei van Dülmen, der 'Kultur und Alltag' in der
Frühen Neuzeit in drei Bänden beschreibt, taucht weder im Inhaltsverzeichnis noch im Register das
Stichwort 'Wald' auf. Die Archive hingegen belegen, daß vor 1800 (und darüber hinaus) der Wald in
der Tat d e r zentrale kulturelle Faktor der damaligen Zeit darstellte.
197 Schröder-Lembke, Waldzerstörung, S.l20.
198 Dipper, Geschichte, S.33.
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