samen Untertan', auch sie war erfüllt - wie es hieß - vom "absolute(n) Herrscherwil¬
lein)"188. Im Zusammenhang mit den testamentarischen Auseinandersetzungen mit
Idstein um eine Mitwirkung an der Regierung wurde ihr gar vorgeworfen, daß sie zu
einer despotischen Gewalt neige189. Dieser Vorwurf war nicht untypisch für die
damalige Zeit. So wandte sich etwa der Staatsrechtler Johann Jakob Moser in der
zweiten Jahrhunderthälfte "gegen die seit 1730/40 in Deutschland um sich greifenden
'despotischen' Herrschaften" und hielt dem "seine hohe Meinung von der verfas¬
sungsmäßigen Zusammengehörigkeit des Fürsten einerseits und der Stände/ Unterta¬
nen andererseits sowie der wechselseitigen Bedingtheit ihrer Rechten und Pflichten"
gegenüber190. Ob Mosers "Defensivhaltung" allerdings wirklich - wie allgemein
behauptet wird - "in seiner Zeit praktisch und theoretisch zusehends an Bedeutung
(verlor)"191, muß erst noch gezeigt werden. In jedem Fall erhob Moser den - wenn
auch theoretischen - Anspruch, nicht die Vergangenheit unzeitgemäß heraufzube¬
schwören, sondern die Zukunft antizipatorisch und planerisch mitzugestalten192. Ob
und inwieweit ihm und den anderen Reichsjuristen, die ähnliche 'defensive' Ansich¬
ten vertraten, dies gelang, werden wir im weiteren Verlauf unserer Geschichte sehen.
Was die Organisation der Landesverwaltung und die ersten reformabsolutistischen
Maßnahmen unter nassau-usingischer Vormundschaft betrifft, so können wir in
Anlehnung an Elisabeth Geck festhalten, "daß die Grundlage des Staates in den
ersten vierzig Jahren des Jahrhunderts geschaffen war. An der Spitze stand eine
Fürstenpersönlichkeit, die in absolutistisch rationaler Weise das Land organisierte
und die Einnahmen zu heben suchte, d.h. im Vordergrund dieser Epoche standen
Verwaltung und Finanzen, die als Hintergrund nur die Frage nach dem praktischen
Nutzen kannten, im Gegensatz zu den spekulativ literarischen Einflüssen der Auf¬
klärung, die sich im letzten Drittel des Jahrhunderts zeigen"193. Die Politik der
vormundschaftlichen Herrschaft läßt sich als ’pragmatischer Reformabsolutismus'
kennzeichnen und muß unterschieden werden vom 'aufgeklärten Reformabsolu¬
tismus' der zweiten Jahrhunderthälfte. Die nassau-usingische Vormünderin, Fürstin
Charlotte Amalie, hatte eine Rationalisierungsinitiative bislang ungekannten Aus¬
maßes eingeleitet: Die Zentralisierung der Staatsverwaltung, die Einführung von
Untertanen-Advokaten, der Beginn einer Politik der 'guten Polizei' und die damit in
Verbindung stehende allmähliche Durchsetzung des staatlichen Rechtsetzungs- und
Rechtfeststellungsmonopols - und all dies eingebettet in den Kontext der frühauf¬
klärerischen Zeit - waren Stationen auf einem Weg, der eindeutig in die Zukunft
ll<s Vgl. Geck, Fürstentum, S.14.
11,9 Zu den testamentarischen Auseinandersetzungen vgl. ebd., S. 14-23 (zit.20).
19,1 Vgl. Holenstein, Huldigung, S.72 u. Anm.39.
191 So Holenstein (ebd.) in Anlehnung an die allgemeine verfassungsgeschichtliche Meinung.
192 Vgl. das Moser-Zitat (ebd., S.72/Anm.39), wo es heißt, daß nicht die Rede (ist) von dem, was würck-
lich geschehe, sondern was geschehen solle.
I9J Geck, Fürstentum, S.55f.
74