zentrale Quelle für die politischen Ziele und Motive der vormundschaftlichen Herr¬
schaft in Bezug auf den linksrheinischen Landesteil dar und bildet zugleich die
Grundlage für die spätere faktische Politik im Zeichen des aufgeklärten Reformabso¬
lutismus unter den beiden Fürsten Wilhelm Heinrich und Ludwig157. Das Hauptkenn¬
zeichen des Schmoll-Berichts war jedoch der absolutistische Ordnungsgedanke, was
angesichts des mangelnden Aufbaus eines absolutistischen Herrschaftssystems in
Nassau-Saarbrücken nicht weiter verwunderte: Ordnung war in unserem Fall
gleichbedeutend mit Reform!
Der Jugenheimer Amtmann unterbreitete seiner Fürstin Ordnungs- und Reformvor¬
stellungen für nahezu alle Bereiche des politisch-gesellschaftlichen Lebens, den
statum ecclesiasticum, politicum et oeconomicum, wobei er dem Wirtschaftssektor
eindeutig Priorität zumaß158. Im politisch-rechtlichen Bereich forderte er eine feste
Kanzleiordnung und die Anlegung eines Repertoriums, was - wie wir gesehen haben
- durch die Kanzleiordnung vom 18.Juni 1731 auch prompt geschah; er empfahl die
Einsetzung eines Amtmanns für die Grafschaft, um das Polizeiwesen wieder in Stand
zu setzen; weiterhin genauere Aufsicht über die Zünfte, ein klares Reglement für den
Aufgabenbereich des gemeinsamen Stadtgerichts, die Errichtung eines Hochgerichts
in Saarbrücken und die Anpassung des Landrechts, der sog. Landcharte, an die
gegenwärtigen Zustände; was die Behandlung der Juden betraf, so fand Schmoll
allerdings, daß sie aus der Grafschaft zu prohibieren, also femzuhalten seien, weil sie
permicies Reipublicae, d.h. Unruhestifter seien, wobei er hinzufügte, daß wucherli-
che Kontrakte auch unter Christen nicht zu dulden seien159. Auf dem sozial-ökono¬
mischen Sektor, dem bevorzugten Aufgabenfeld, schlug Schmoll Reformmaßnahmen
vor, die die aufgeklärte Politik der zweiten Jahrhunderthälfte ganz entscheidend
beeinflussen sollten: So fand er beispielsweise, daß die hohe Nothdurft die Anlegung
eines Katasters erfordere, wonach eine klare Steuerinstruktion entworfen werden
müsse; denn bislang erfolgte die Steuerveranlagung nach Gutdünken, was von
Rechtswegen nicht bestehen könne; wenn man diese Gnade, wie Schmoll es nannte,
dem nassau-saarbrückischen Land zukommen ließe, dann würden die Untertanen
umso freudiger ihren Beitrag leisten, weil sie sähen, daß jedem gleich und Recht ge¬
schieht160 *. Auch hier zeigt sich - wiederum sichtbar durch das "Gewaltmittel der
,S7 Zum Schmoll-Bericht als Grundlage für die späteren Verordnungen vgl. Geck, Fürstentum, S.26ff.
1Sii Vgl. den Schmoll-Bericht, Jugenheim 4.Mai 1731: LA SB 22/2461, fol.1-52; der erste Teil über
Ecclesiastica reicht von fol.2-7, der zweite Teil über Politica von fol.8-19 und der dritte Teil über
Cameralia oder Oeconomica von fol. 19-52,
159 Ebd., fol.8-19 (zit,14v. u,18v.); permicies ist wohl eine Ableitung vom lateinischen Verb "permiscere”
(=verwirren, in Unordnung bringen). Alle drei Autoren, die auf den Schmoll-Bericht eingehen und ihn
z.T. wörtlich zitieren, lassen die Passage über die Behandlung der Juden weg, vgl. Köllner (Land,
S.440T), Köllner (Städte I, S.339-347) und Ruppersberg (Grafschaft IS, S.221-229). Zur Geschichte
der Juden an der Saar vgl, Marx, Juden; Hoppstädter, Jude.
16,1 Schmoll-Bericht, Jugenheim 4.Mai 1731: LA SB 22/2461, fol.26f. (zit.27r.); vgl. auch hier die nicht
mit dem Original übereinstimmende 'wörtliche Wiedergabe' bei Köllner, Land, S.441.
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