Full text: Obrigkeit und Untertanen

pragmatischen Gründen gezwungen, eine absolutistische Ordnungspolitik in Angriff 
zu nehmen. Wie in anderen Territorialstaaten auch, stand am Anfang der neuen 
Politik die Organisation der Verwaltung. 
Allgemein läßt sich das 18.Jahrhundert als "eine Epoche der Umorganisation in der 
Administration" beschreiben: Die Verwaltungsaufgaben wurden komplexer und 
erforderten daher eine Vermehrung und Qualifizierung der Beamtenschaft, der 
Einfluß der Stände wurde immer stärker zurückgedrängt, und es kam zu Bestrebun¬ 
gen, "den lokalen Bereich einer gewissen staatlichen Kontrolle zu unterwerfen", was 
sich u.a. in der "weitgehende(n) Beseitigung der kommunalen Selbstverwaltung" und 
in der "Einrichtung eines Untertansadvokaten" niederschlug122. Im Falle Nassau- 
Usingens handelte es sich jedoch wie bei einer Vielzahl von Duodezfurstentümem 
um ein Territorium, das keine Landstände besaß, so daß hier der Auf- und Ausbau 
der Behörden im 18.Jahrhundert nicht vergleichbar ist mit der relativ straffen 
Zentralisierung der Staatsverwaltung in landständischen Territorien wie z.B. in 
Württemberg oder in Bayern123. In unserem Falle sind die Zentralbehörden "etwas 
dem Herkommen gemäßes": "Es vollzieht sich so in der Verwaltung des Landes 
vielmehr ein Prozeß, der sich in den größeren Territorien bereits im 16.Jh. abgespielt 
hat, jedoch mit dem Vorsprung, daß die Ausbildung kollegialischer Behörden 
zusammenfällt mit den Tendenzen des modernen Beamtenstaates"124. 
Allein schon die besondere Konstellation der vormundschaftlichen Verwaltung der 
einzelnen Landesteile von der Usinger Zentrale aus machte die für den Absolutismus 
so charakteristische Tendenz zur "Rationalisierung der Herrschaftsausübung" er¬ 
forderlich125. Die nassau-usingische Verwaltungsorganisation gilt als vorbildlich, sie 
hatte nicht nur "einen klaren organisatorischen Vorsprung" gegenüber der weilbur- 
gischen und beeinflußte ab der Jahrhundertmitte die dillenburgische Verwaltung, sie 
diente sogar als "Grundlage der bedeutenden Verwaltungsorganisation des Herzog¬ 
tums Nassau" im frühen 19.Jahrhundert126. Die modemstaatliche Vorbildfunktion 
ging auf die Vormundschaftsregierung Charlotte Amaliens zurück, mit deren Person 
"aller Fortschritt stand und fiel"127. Ihr Regierungsprogramm von 1718 sprach sich 
122 Vgl. Demel, Reformstaat, S.9f. 
123 Vgl. Geck, Fürstentum, S.8f. (zit. S.9); zur rel. straffen Zentralisierung der preußischen Staatsver¬ 
waltung Demel, Reformstaat, S.9. 
124 Geck, Fürstentum, S.9. 
125 Vgl. allgemein zur Verwaltungsorganisation im Zeitalter des Absolutismus Klinisch, Absolutismus, 
S.72ff. (zit. S.72). 
126 Vgl. Demandt, Hessen, S.430f. 
127 Ebd., S.430 u. Geck, Fürstentum, S.7; Geck legt dar, daß bei der geplanten Neuordnung der Ver¬ 
waltung nicht etwa der mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattete Hofmeister Ziegesaar 
ausschlaggebend war, sondern "daß die Initiative zur Reform auf Charlotte Amalie selbst zurückgeht" 
(ebd.S.16). 
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