Full text: Obrigkeit und Untertanen

Treue würdig machen wird23. So sehr der Huldigungseid das absolutistische Herr¬ 
schaftsverhältnis widerspiegelt: hier die gehorsamspflichtige Untertanenschaft und 
dort die Gnade und Schutz versprechende Herrschaft; so sehr verdeutlicht er aber 
auch, daß die im Mittelalter entstandene "Struktur der Wechselseitigkeit von Rechten 
und Pflichten als Fundament sämtlicher Herrschaftsverhältnisse in der altständischen 
Gesellschaft" bis ins 18.Jahrhundert hinein ihren Bestand behielt23 24; vor allem der 
explizite Gebrauch der altständischen Kategorien von 'Schutz und Schirm' zeigt das 
Fortwirken mittelalterlicher Grundkategorien25. Auch die Schreibweise von recht 
(das klein und nicht groß geschrieben wurde) und der damit verbundene Bedeu¬ 
tungsgehalt im Sinne einer moralischen und nicht eigentlich rechtlichen Verpflich¬ 
tung zeigen an, daß damit noch nicht das neue, auf Zweckrationalität basierende 
Recht, dem das staatliche Rechtsetzungsmonopol zugrunde lag, gemeint war, son¬ 
dern noch das alte, ungesetzte mittelalterliche Recht, dem Herrscher und Beherrschte 
gleichermaßen unterworfen waren26 27. Der Kern der Huldigung von 1724, d.h. der 
Huldigungseid der Untertanen und die Gegenversicherung des Grafen, weist mehr 
mittalterliche als neuzeitlich-absolutistische Züge auf. 
Nachdem die Untertanen ihre Huldigungspflichten geleistet hatten, wobei einige 
frevelhafterweise ausgeblieben (waren), erwies ihnen der Graf seinen Dank und 
wiederholte nochmals die Gnadenversicherung; die Untertanen schließlich baten 
Gott, daß er dem neuen Landesherm, der bereits im 73.Lebensjahr stand, höchstes 
Alter schenke und beschlossen die Huldigungszeremonie mit dem Ausruf: Vivat, es 
lebe Friedrich Ludwig21. Gerade der Schlußappell verdeutlicht nochmals den "für 
patriarchalische Abhängigkeitsverhältnisse charakteristischen Stellenwert der 
Personalität" und unterstreicht damit den insgesamt traditionalen Charakter der 
Huldigung von 172428. Man kann sagen, daß diese Huldigung noch an der Schnitt¬ 
stelle von Mittelalter und Neuzeit lag: Sie enthielt mittelalterliche Grundelemente, 
wie das der Personalität oder der Mutualität, ohne jedoch den für mittelalterliche 
Huldigungen ganz typischen Charakter eines politischen Rechtsakts zu besitzen; sie 
enthielt aber auch absolutistische Grundelemente, wie die herrscherliche Gnadengabe 
oder die Gehorsamspflichtigkeit der Untertanen, ohne allerdings ein barockes Fest 
23 Bericht über die Huldigung der nassau-saarbrückischen Untertanen an Graf Friedrich Ludwig vom 
3.Januar 1724: LA SB 22/2287, S.6. 
24 Allgem. dazu Holenstein, Huldigung, S.361 ff. (zit.S.361) mit Verweis auf die enstprechende Literatur 
von Kern und Brunner. 
25 Speziell dazu vgl. Oestreich, Verfassungsgeschichte, S.20. 
26 Vgl. zum mittelalterlichen Rechtsbegriff und vor allem zur Schreibweise als Indikator seines Charak¬ 
ters Kern, Recht, S.l lff, bes.S.23. 
27 Bericht über die Huldigung der nassau-saarbrückischen Untertanen an Graf Friedrich Ludwig vom 
3 Januar 1724: LA SB 22/2287, S.6. 
Vgl. allgem. zu den traditionalen Elementen der Huldigungen Holenstein, Herrschaftszeremoniell, 
S.23-29 (zit.S.24). 
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