Full text: Obrigkeit und Untertanen (32)

unmöglich darauf eingehen konnte.20 Erst mit dem Ausbruch der Revolution im 
Nachbarland veränderte sich die Situation gänzlich, weil der Druck 'von unten' 
immer stärker wurde: Jetzt war die Bitte der Städte gefolgt und begleitet von einem 
Proteststurm der Landgemeinden, die ebenfalls Einsicht in die Landkassenrechnun¬ 
gen und z.T. auch Mitsprache bei der Landgeldererhebung beanspruchten21. Von 
Anfang an - so wird man jetzt schon in Anlehnung an Volker Press sagen können - 
diente die Französische Revolution auch in Nassau-Saarbrücken als "Katalysator für 
eine ständische Welle"22. 
Es waren nur die Kommunen der Grafschaft Saarbrücken, die am Landkassenstreit 
beteiligt waren; denn weder die Ottweiler noch die Harskirchener Spezial-Landkas¬ 
senrechnungen wiesen Unregelmäßigkeiten auf, sondern nur die Landkassenver¬ 
waltung der Grafschaft Saarbrücken wurde seit dem Jahre 1768, d.h. seit dem 
Regierungsantritt Fürst Ludwigs beanstandet23. Es ist in der landesgeschichtlichen 
Forschung viel darüber spekuliert worden, warum die Untertanen der Grafschaft als 
Stichdatum der Einsichtnahme in die Landkassenrechnungen das Jahr 1768 gewählt 
haben. Einmal nahm man an, daß Wilhelm Heinrich den Stadtgerichten die Einsicht¬ 
nahme noch gewährt und erst Fürst Ludwig das steuerliche Mitsprachrerecht der 
Städte "beseitigt" hatte24; zum andern stellte man zur Diskussion, daß die Städte 1789 
"billigerweise von Ludwig nur Einblick in das Finanzgebahren seiner eigenen Regie¬ 
rung verlangten"25. Beide Varianten lassen sich nicht halten. Der Grund, warum die 
Untertanen erst ab 1768 Einsicht in die Landkassenrechnungen forderten, hing einzig 
und allein damit zusammen, daß mit dem Regierungsantritt Fürst Ludwigs die 
gesamte Fmanzadministration der Landesherrschaft entzogen und einer kaiserlichen 
Schuldentilgungskommission übertragen wurde, die die hohen Schulden seines 
Vorgängers begleichen sollte und deren Tätigkeit bekanntlich erst 1783/87 endete26. 
In dieser Zeit war das gesamte Finanzwesen und damit auch die Landkassenver¬ 
20 Vgl, den Brief Fürst Ludwigs an die beiden Städte Saarbrücken und St. Johann, Ottweiler 1. Novem¬ 
ber 1784 in: Firmond'sche Chronik, Dok. Nr.9; s.a. die dazugehörige Petition der Städte v. 30. 
Oktober 1784 in: ebd., Dok. Nr. 8. 
21 Es können hier nicht alle Petitionen der Landgemeinden genannt werden, bei denen i.d.R. die 
Landgelderbeschwerde gleich zu Anfang des Forderungskataloges stand; stellvertretend sei auf die 
Petition von Dudweiler u. Sulzbach v. 11.September 1789 verwiesen, wo es gleich zu Beginn unter 
Punkt 1 heißt, daß sie sich durch Bezahlung der Landkassengelder derart beschwert fühlen, daß sie 
wie "die beyde(n) Städte und das ganze Land" auf Vorlage der Rechnungen bestehen (LA SB 
22/2558, S.2); s.a. die Petition der beiden stadtnahen Gemeinden Malstatt und Burbach v. 
10.September, die darüber hinaus fordern, daß ihre Gerichte bei der jährlichen Landgelderaus¬ 
schreibung künftig anwesend sein sollen (LA SB 22/2759, fol.l90ff.). 
22 Press, Warum gab es, S.69. 
25 Vgl. den gesamten Schriftwechsel in: LA SB 22/3038 u. ebd. 4719. 
24 Ecker, Saargebiet, S.41. 
25 Herrmann, Wilhelm Heinrich, S.51. 
26 Dies ergibt sich aus dem Aktenband LA SB 22/2277 über die Finanzen im Fürstentum. 
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