Full text: Obrigkeit und Untertanen

SCHLUSS: AUSBLICK UND SYNTHESEN 
1. Zusammenfassung der Ergebnisse 
Wir haben unsere Geschichte nicht nur aus chronologischen Gründen mit der Huldi¬ 
gung der nassau-saarbrückischen Untertanen an die vormundschaftliche Herrschaft 
Nassau-Usingens vom Frühjahr 1728 beginnen lassen. Zum einen ist die Huldigung 
schlechthin ein getreuer Widerspiegel des Interaktionsverhältnisses von Obrigkeit 
und Untertanen, dessen Untersuchung wir in bewußter Abgrenzung zur bisherigen, 
einseitig auf den Untertanenprotest konzentrierten Forschung zum erkenntnislei¬ 
tenden Interesse unserer Arbeit erhoben haben. Zum andern setzte speziell die 
vormundschaftliche Huldigung den Auftakt zu einer neuen Zeit, die den Weg in die 
'Moderne' wies: Sie leitete in Nassau-Saarbrücken die Rationalisierung des Verhält¬ 
nisses von Obrigkeit und Untertanen und damit das Zeitalter des Reformabsolutismus 
ein, das im ersten Drittel des 18.Jahrhunderts begann und im letzten Drittel endete. 
Wie in einem Brennpunkt fängt somit die Huldigung von 1728 den Untersu¬ 
chungsgegenstand unserer Arbeit ein. 
In Nassau-Saarbrücken fiel der Beginn des Reformabsolutismus zeitlich zusammen 
mit dem Beginn des Absolutismus überhaupt. Erst mit der nassau-usingischen 
Herrschaftsübemahme im Frühjahr 1728 setzte ein konsequenter Auf- und Ausbau 
eines absolutistischen Herrschaftssystems ein, der zuvor aufgrund der Sonderent¬ 
wicklung im 17.Jahrhundert, bedingt durch die relativ 'lange Dauer' des 30jährigen 
Krieges und die sich beinahe nahtlos anschließende französische Reunionszeit, nicht 
möglich gewesen war. Gleichzeitig mit dem absolutistischen Neuanfang wirkten die 
frühaufklärerischen Zeitströmungen auf die Politik der nassau-usingischen Vormund¬ 
schaft ein, sodaß in Nassau-Saarbrücken der Absolutismus gleich schon im Gewände 
des Reformabsolutismus kam - eines Reformabsolutismus, der von pragmatischen 
Sachzwängen und frühaufklärerischen Rationalisierungstendenzen geprägt war und 
den wir daher in Anlehnung an Günter Birtsch als 'pragmatischen Reformabsolutis¬ 
mus’ kennzeichneten1. Diese Doppelung eines Neuanfangs - Absolutismus und 
frühaufklärerische Rationalisiemng zugleich - verlieh der nassau-usingischen Herr¬ 
schaftsübemahme einen außerordentlichen, um nicht zu sagen: epochalen Zäsur¬ 
charakter. In keinem Bereich des gesellschaftlichen Lebens war diese Zäsur so 
einschneidend wie auf dem Gebiet des Forstwesens, dem zentralen Bereich der 
vorindustriellen Gesellschaft. Hier trafen sozusagen zwei Welten aufeinander: Die 
absolutistische Ordnungs- und Reforminitiative der vormundschaftlichen Herrschaft, 
die den Wald einer umfassenden Reglementierung unterwarf und erstmals einen 
Eingriff in das in Nassau-Saarbrücken nur gering ausgebildete kommunale Waldei¬ 
gentum unternahm, stieß auf einen defensiven Traditionalismus der Untertanen- 
Vgi. Birtsch, Idealtyp sowie ders., Friedrich Wilhelm 1. 
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