prozeß' zwischen Obrigkeit und Untertanen das erkenntnisleitende Interesse unserer
Proteststudie bildet, bot es sich vielmehr an, die Arbeit gemäß der unterschiedlich
strukturierten herrschaftlichen Reformpolitik der ersten und der zweiten Hälfte des
18.Jahrhunderts in zwei zeitlich gegliederte Großabschnitte - die Zeit des reformab¬
solutistischen Neubeginns unter nassau-usingischer Vormundschaft und die Zeit der
aufgeklärten Reformpolitik der beiden letzten nassau-saarbrückischen Fürsten - zu
unterteilen und die jeweiligen "case-studies" im Kontext dieser Zeit darzustellenH:.
Da die herrschaftliche Politik den 'Rahmen' für unseren Hauptuntersuchungsgegen¬
stand, die Stadt- und Landproteste, abgibt, wird sie zu Beginn eines jeden Großab¬
schnitts behandelt. Dem folgt jeweils die kontextbezogene Schilderung der
Untertanenproteste, wobei am Anfang einer jeden Fallstudie die Ausgangslage, d.h.
die politisch-rechtliche und sozial-ökonomische Situation der Untertanen behandelt
wird. Als Einstieg in unser Thema bot es sich an, die vormundschaftliche Huldigung
von 1728 an die Linie Nassau-Usingen etwas genauer zu behandeln, weil sie wie in
einem Brennpunkt das Verhältnis von 'Obrigkeit und Untertanen' einfängt und bereits
den mit der Usinger Herrschaftsübemahme eingeleiteten Neuanfang verdeutlicht* 133.
Da es unter vormundschaftlicher Ägide allein im Forstbereich zu Protesten kam, war
es ferner notwendig, die Forstpolitik der Vormünderin einer speziellen Analyse zu
unterziehen. Dem 'Rahmen-Kapitel' folgt die Schilderung des Forstkonflikts, der
nach Stadt und Land getrennt behandelt wird, weil er eine jeweils unterschiedliche
Akzentuierung besitzt. Im zweiten Großabschnitt wird erneut zunächst der 'Rahmen'
durch die Untersuchung der aufgeklärten Reformpolitik der beiden letzten Saarbrüc¬
ker Fürsten abgesteckt. Sodann werden die Stadt- und Landproteste geschildert und
zugleich in diesem Kontext interpretiert. Dabei werden wir sehen, auf welche Weise
die Untertanen auf den aufgeklärten Reformabsolutismus reagierten, ob es ein unter¬
schiedliches Verhalten in Stadt und Land gab und wenn ja, worin exakt die Unter¬
schiede bestanden. Gerade in der Zusammenschau von Stadt- und Landprotesten
betritt die Studie ebenfalls wissenschaftliches Neuland; denn: "städtische und ländli¬
che Unruhen sind in der bisherigen Forschung nicht aufeinander bezogen worden"134.
Auch in diesem Punkt wollen wir einen Beitrag zur frühneuzeitlichen Protestfor¬
schung liefern. Am Ende werden sowohl ein Ausblick in die Zeit der frühen Franzö¬
sischen Revolution gegeben als auch die Untersuchungsergebnisse in Form von
'Synthesen' zusammengefaßt, womit noch einmal auf die unterschiedliche metho¬
dische Herangehensweise aufmerksam gemacht wird: Während die frühneuzeitliche
Protestforschung den Weg der 'Analyse', d.h. der systematischen Untersuchung von
Unruhen hinsichtlich ihrer einzelnen Komponenten, bevorzugt, wird hier der genau
zeitlichen Protestforschung an der Untertanenperspektive unterstreicht, vgl. Weber, Rottweil; Gabel,
Widerstand und Würgler, Unruhen.
133 Vgl. allgem. zur Methode der 'case studies' im Sinne kontextorientierter Untersuchungen Vovelle,
Serielle Geschichte, S.l 14-126.
133 Vgl. allgem. dazu Holenstein, Huldigung, passim; ders., Herrschaftszeremoniell, S.21-46.
134 Blickle, Unruhen, S.6.
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