fen und die Bürger im allgemeinen, daß sie die Freiheit und alle die Stücke, die in
der Freiheit sind und stehn geschrieben aus großer Gnade, geloben stete zu halten,
ohne darwider zu kommen in keinerhand Weise bei geschworenem Eide und sind
schuldig, diese Freiheit zu schwören von Erben zu Erben allen unsern Herren und
Grafen von Saarbrücken; und wenn sie und ihre Nachkommen diese Freiheit, noch
eins ihrer Stücke stete nit hielten, dann bekannten sie für sich und ihre Erben, daß sie
sind meineidig, treulos und ehrlos5. Indem die Städte sozusagen als 'Gegenleistung'
für den Freiheitsbrief, der auch einen bürgerlichen Pflichtenkatalog und eine ganze
Reihe herrschaftlicher Rechte und Vorbehalte enthielt, eine offizielle Verpflich-
tungserklärung zur treuen und ehrbaren Einhaltung aller Artikel der Freiheitsurkunde
abgaben, entsprachen sie ganz dem für die damalige Zeit des Hochmittelalters
gültigen Rechts- und Herrschafts Verständnis: der wechselseitigen Verpflichtung von
Herrschaft und Untertanen, der sog. "mutua obligatio zwischen Herrscher und Volk",
der das mittelalterliche Treue- und Gefolgschaftsverhältnis zugrunde lag6. Wir
müssen uns hier nochmals vor Augen führen, "daß 'Herrschaft' nach mittelalterlicher
Auffassung kein autoritäres, einseitiges Rechtsverhältnis darstellt, sondern ein
Vertragsverhältnis, dessen entscheidende Merkmale das Miteinanderhandeln und
Füreinanderhandeln sind"7. Es ist für die weitere Geschichte des städtischen
Privilegienkampfes wichtig zu wissen, daß die Privilegien auf einem wechselseitigen,
Obrigkeit und Untertanen gleichermaßen verpflichtenden Vertrag basierten. Dieses
mittelalterliche Prinzip der Mutualität, das, wie wir gesehen haben, bei den nassau-
saarbrückischen Landuntertanen nie seine Gültigkeit verloren hatte, ruhte bei den
Städten - ganz im Unterschied zu den Landgemeinden - auf einer vertraglichen
Vereinbarung8. Wir haben also, was die Städte betrifft, seit ihrer Gründung, ja
eigentlich bedingt durch eben diesen Gründungsakt ein viel stärker rechtlich kodifi¬
ziertes Verhältnis zur Landesherrschaft: Das vertragliche Herrschaftsverhältnis
bildete bei den Städten ein geradezu konstitutives Moment! Für die Prägung der
politischen Mentalität der Bürger kann dieses Faktum gar nicht hoch genug ver¬
anschlagt werden. Aber nicht nur durch den "für die Landesherrschaft ausgestellten
Anerkennungs- und Verpflichtungs-Revers" der Bürger9 ergab sich die für die
spätmittelalterliche Verfassungsordnung so typische "Zweiseitigkeit" im Verhältnis
Original, das durch das damals bei Urkunden gebräuchliche Mittelhochdeutsch sehr schwer zu
verstehen ist (zur Sprache des Freiheitsbriefes vgl. Klein, ebd., S.137f.); dabei behalten wir auch die
Artikelnummenerung Köllners bei der Wiedergabe des Freiheitsbriefes bei.
s Köllner, Städte 1, S.40.
6 Vgl. dazu nochmals Oestreich, Strukturprobleme, S.188f. (zit. S. 188); zur Bedeutung des Begriffs der
"mutua obligatio" vor allem ders., Idee des religiösen Bundes.
Bader, Südwesten, S.92.
8 Bei den Landgemeinden resultierten die altständischen Vorstellungen primär aus dem ungeschriebe¬
nen 'Fierkommen' und zum Teil auch aus den 'Weistümem' (vgl. zu den Weistümem an der Saar vgl.
Eder, Weistümer.
* Klein, Freiheitsbrief, S. 136.
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