bürg. Außerdem wurde eine Reihe von gedruckten Quellen durchgearbeitet, die vor
allem zur ergänzenden Rekonstruktion der herrschaftlichen Reformpolitik im
18.Jahrhundert dienten. Die Durchsicht des Archivmaterials hat ergeben, daß sich in
Nassau-Saarbrücken im 18 Jahrhundert vier größere Konflikte ereigneten: In der
ersten Jahrhunderthälfte, d.h. unter der vormundschaftlichen Herrschaft Fürstin
Charlotte Amaliens, ein Forstkonflikt, der sämtliche Stadt- und Landgemeinden
erfaßte und mit guter Begründung als der erste große Konflikt der Frühen Neuzeit in
Nassau-Saarbrücken bezeichnet werden kann. In der zweiten Jahrhunderthälfte auf
dem Land eine Mandatsklage der Völklinger Gemeinden gegen Fürst Wilhelm
Heinrich beim Reichskammergericht aus dem Jahre 1766 und ein Austrägal- und
Reichskammergerichtsprozeß der Köllertaler Gemeinden gegen Fürst Ludwig, der
sich über sieben Jahre von 1776/77 bis 1784/85 hinzog, ohne daß eine Entscheidung
gefällt wurde; und in den Städten schließlich ein Privilegienstreit der beiden Städte
Saarbrücken und St.Johann, der sich über die gesamte Regierungszeit der beiden
letzten nassau-saarbrückischen Fürsten erstreckte.
Der städtische und ländliche Forstkonflikt unter nassau-usingischer Vormundschaft
ist durch eine Vielzahl von Untertanen-Petitionen, amtlichen Gutachten und Be¬
richten, Schreiben der Saarbrücker Behörden untereinander und mit der Usinger Zen¬
trale, Regierungsresolutionen sowohl aus Saarbrücken als auch aus Usingen, fürst¬
lichen Erlassen, Befehlen und Dekreten außerordentlich gut überliefert; vor allem der
städtische Forstkonflikt, der zu einem Rechtsstreit mit der Herrschaft führte und die
gesamte vormundschaftliche Regierungszeit andauerte, besitzt eine ungewöhnlich
dichte Quellengrundlage durch die Vielzahl von Regierungsberichten über die städti¬
schen Forstfreveltage, die Rechtsanfragen der Bürger an einheimische und aus¬
wärtige Juristen, die zahlreichen Zeugenverhöre, die z.T. eine tägliche Rekonstruk¬
tion bestimmter konfliktintensiver Phasen ermöglichen, die vielen juristischen Gut¬
achten, die städtischen Judizialprotokolle und nicht zuletzt durch die städtischen
Petitionskonzepte, die einen wesentlich authentischeren Aussagewert besitzen als die
Endredaktion der Suppliken, wie sie offiziell bei der Regierung bzw. Fürstin ein¬
gingen100. Das Hauptmaterial hierzu liegt im Stadtarchiv Saarbrücken im Bestand
Gemeinsames Stadtgericht und in den einschlägigen städtischen Akten des Landes¬
archivs Saarbrücken im Bestand Nassau-Saarbrücken II, es wurde bislang noch nicht
systematisch unter protestgeschichtlichen Aspekten ausgewertet106 107. Da der städtische
106 Allgem. zu den genannten Quellengattungen im einzelnen grundsätzlich vgl. Meisner, Archivalien¬
kunde, S.156ÎT. u. S.177ff.
107 Es ist hier unmöglich, das gesamte Aktenmaterial zum vormundschaftlichen Forstkonflikt auf¬
zuzählen; unter den einschlägigen Akten des Landesarchivs seien die beiden umfangreichen Akten¬
bände Best.22/2865 u. 2866 genannt. Jung hat in seiner Dissertation den städtischen Forstkonflikt
ausschließlich unter verfassungsgeschichtlichen Aspekten behandelt und beispielsweise die beiden
genannten Aktenbände des Landesarchivs und die umfangreichen Petitionskonzepte u. juristischen
Anfragen und Antworten im StadtA SB Best. Gern. Stadtger. 148, 149 u. 150 nicht berücksichtigt
(vgl. Jung, Ackerbau, S. 130-134).
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