Eigentumsproblematik auf der Tagesordnung: Hier ließ sich Lex nun auf die vom
Köllertaler Anwalt in die Diskussion gebrachte zeitgenössische Unterscheidung
zwischen Besitzstand und Eigentumsrecht bei der Klage über den Köllertaler Wald
ein und widmete fast 150 Seiten nur der Eigentumsfrage; dabei ignorierte er al¬
lerdings noch den in der Replik ansatzweise angedeuteten Aspekt des Privateigen¬
tums. Lex sah das herrschaftliche Eigentumsrecht vor allem deswegen als erwiesen
an, weil es jederzeit von der Willkühr und Gnade der Landesherrschaft abgehangen
habe, ob und welchen Gemeinden Waldland zum Roden und Besäen angewiesen
wurde224. Hier zeigt sich, wie eindeutig der Anwalt des Fürsten in solch grundle¬
genden Dingen vom absolutistischen Standpunkt aus argumentierte. Diesen Stand¬
punkt nahm er auch beim zweiten Beschwerdepunkt über den Demeth ein: Lex war
der Ansicht, daß Geldabgaben jährlich als ein Fixum an die Herrschaft zu leisten
seien und daher auch der Demeth jährlich und nicht nur zur Eckerzeit zu zahlen sei.
Hier stand der absolutistische Standpunkt, der auf die Vereinheitlichung des Abga¬
benwesens drängte, dem defensiven Standpunkt der Untertanen, die im Demeth nach
wie vor eine reine Benutzungsgebühr sahen, entgegen. Aber je stärker der Druck 'von
unten' wurde, d.h. je stärker der Untertanen-Anwalt seine Konsensforderungen mit
dem Reichsrecht zu untermauern versuchte, desto unmöglicher wurde es dem herr¬
schaftlichen Anwalt, den absolutistischen Standpunkt uneingeschränkt zu verfechten.
Lex befand sich nämlich in einer Zwicklage: Zunächst einmal war er Anwalt eines
absolutistischen Fürsten und hatte dessen Interessen zu vertreten, zugleich stand er
aber auf der Grundlage des Reichsrechts, das die altständischen Kategorien von
Konsens und Mutualität, die wiederum dem absolutistischen Prinzip so diametral
zuwiderliefen, in fester Verwahrung hielt. Erste Spuren dieser spannungsreichen
Ambivalenz begannen sich bereits abzuzeichnen: So gab Lex nun beispielsweise -
immer noch anläßlich der Beschwerde über den Demeth - zu, daß die General-
Renovatur in der Tat nicht ’einseitig' den Untertanen vorgeschrieben werden dürfe;
allerdings leugnete er, daß dies auch geschehen sei. Hinsichtlich der Neueinführung
der allgemeinen Steuer war er ebenfalls der Meinung, daß sie mit 'guter Einwilligung'
der Untertanen geschehen sei; die Zeugenaussagen konnten ihn nicht überzeugen,
weil alle 18 Zeugen prozeßbeteiligt waren. Von daher ging er auch nicht näher auf
die umfassenden Konsensvorstellungen des Untertanen-Anwalts ein, der ja auf der
Einwilligung aller Untertanen bestand. Was die Monetarisierung der Frondienste
betraf, so erkannte Lex nun unter Hinweis auf den Reichskammerjuristen Cramer an,
daß die Natural-Dienste[n] entweder mutuo consensu oder aus andern erheblichen
Ursachen in ein jährliches Dienstgeld verwandelt werden können; allerdings fand er,
daß in diesem Fall wie überhaupt hinsichtlich der Abgaben der Untertanen in erster
Lime auf das Herkommen zu sehen sei, und in Nassau-Saarbrücken werde nun
Vgl. die Stellungnahme zur ersten Waldbeschwerde der Duplik des herrsch. Anwalts Lex ans ATG v.
24.Juni 1780: LA SB 22/2716, S,32-176 (zit. 175), s.a. S.94, wo er diesen Gedanken aufzugreifen
beginnt, daß es jederzeit von herrschaftlicher Willkür abgehangen hat, welchen Gemeinden Waldland
zum Roden angewiesen wurde.
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