2. Erste Widerstände gegen die Kosten der Reformpolitik: Die Reichskammer-
gerichtsklage der Völklinger Gemeinden gegen Fürst Wilhelm Heinrich
a) Zur Ausgangslage: Der Völklinger Hof und seine 'Konflikttradition'
Der Völklinger Hof war ein Metzer Lehen und bestand aus den Gemeinden Völ¬
klingen, Fürstenhausen, Wehrden, Geislautern und Knausholz1, Die Meierei lag im
südwestlichen Teil der Grafschaft nahe an der lothringischen bzw. französischen
Grenze und unterstand verwaltungsmäßig dem Oberamt St. Johann2, Sie gehörte zu
den wenigen kommunalen Verbänden Nassau-Saarbrückens, die eine 'Konflikttradi¬
tion' aufwiesen, sofern man einen so weitgehenden Begriff überhaupt auf Nassau-
Saarbrücken anwenden kann. Unter Konflikttradition soll hier nicht nur eine Häufig¬
keit von Konfliktfällen über einen längeren Zeitraum hinweg verstanden werden,
sondern auch eine konfliktinteme Tradition, die bestimmte Kontinuitätselemente
innerhalb der einzelnen Konfliktfälle erfaßt. Vom Völklinger Hof hören wir zum
ersten Mal während des Bauernkrieges von 1525. Wir sind über die Ereignisse des
Bauernkrieges in unserer Gegend ziemlich schlecht unterrichtet3. Allenthalben heißt
es, daß es im unmittelbaren Herrschaftsgebiet der Grafschaft Saarbrücken weder zu
nennenswerten Ausschreitungen gekommen war noch die Untertanen in größerem
Umfang an den Unruhen in der Nachbarschaft, wie z.B. an den Aufstandsbewegun¬
gen in der Pfalz und im Elsaß teilgenommen hatten. Dennoch war es zu Sympathie¬
bekundungen einzelner Gemeindemitglieder mit den Aufständischen gekommen,
worunter sich auch Völklinger Untertanen befanden. So saß beispielsweise noch
1527 ein gewisser Niclas Bemschneider aus Völklingen wegen seiner bösen Hand¬
lungen im bäuerischen Aufruhr in Saarbrücken im Gefängnis; ihm wurde die Teil¬
nahme an dem sogenannten "Herbitzheimer Haufen” vorgeworfen, einer relativ gut
organisierten Protestbewegung an der oberen Saar. Besagter Bemschneider wurde
nicht zum Tode verurteilt, sondern mußte 'Urfehde' schwören, also versichern, sich
wegen eventuell zu erleidender Schäden nicht zu rächen, und wurde dann des Landes
verwiesen4. Die Bauern des Völklinger Hofs nahmen zwar nicht direkt an den Unru¬
hen des Bauernkrieges teil, aber sie "inszenierten dafür selbst einen kleinen Auf¬
1 Vgl. Sittel, Sammlung, S.92; in den 1730er Jahre gehörte noch zum Völklinger Hof der Ort Spittel,
der dann auf herrschaftlichen Befehl der Meierei Karlingen zugeordnet wurde (vgl. die Supplik der
fünf Orte des Völklinger Hofs ans RKG gegen Fürst Wilhelm Heinrich vom lS.Juli 1766: LA SB
22/2979, fol.2); vgl. zur späteren Einteilung der Schultheißerei Völklingen um 1789: Scherer, Landge-
memdeverwaltung, S.72-74.
2 Vgl. Fabricius, Erläuterungen, S.419; zur Gründung des Oberamts St.Johann vgl. Rumschöttel,
Verwaltungsorganisation, S.184f., der das Jahr 1764 annimmt gegen Sittel, Sammlung, der 1759 als
Gründungsdatum nennt.
3 Vgl. dazu am ausführlichsten immer noch Hoppstädter, Aufstände, S.197-213, sodann Ulbrich,
Bauernkrieg, S. 133-136, schließlich Köllner, Land, S.238-247 und Ruppersberg, Grafschaft I, S.245-
251.
4 Vgl. Hoppstädter, Aufstände, S.212; zum Herbitzheimer Haufen ebd., S.203ff.
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