Begründung auf, weil bey täglich sich vermehrender Anzahl Unserer getreuen
Unterthanen (...) die Beybehaltung derer in Unsern fürstlichen Landen eingeführten
Vogteyen und Stammgüter in jener Nahrung undßeisigen Bearbeitung zu hinläng¬
lichen, ihres Lebensunterhalt(s) eine merckliche Hindernüß verursachen40. Offiziell
gab die Herrschaft das Be völkerungs wachs tum als Grund ihrer Maßnahme an. Um
jedoch die Motive und Ziele, die hinter diesem Reformschritt standen, etwas genauer
fassen zu können, müssen wir uns einen Zusammenhang vergegenwärtigen, auf den
der Saarbrücker Regierungsrat Lex rückblickend im Jahre 1781 verwies: Die Bauren-
Güter der hiesigen Grafschaft Saarbrücken sind ante annum 1764 untheilbar gewe¬
sen und die darauf gelegte Onera realia, welche in Geld, Früchten und Heu bestan¬
den, haben nicht auf eintzelen Grunds tüc kern, sondern auf dem gantzen Guth gehaf¬
tet. Während den Regierungszeiten (unseres...) in Gott ruhenden Herrn Vatters
haben die Unterthanen sich dermaßen vermehret, daß dieselben verschiedentlich um
die landesherrliche Erlaubnis suppliciret haben, ihre Vogteyen unter ihre Kinder und
Erben nach eigener Willkühr vertheilen zu dörffen. Da aber dieses nicht ehender
gestattet werden konnte, als bis zuvor jedes eintzelne Grundstück richtig aufgemeßen,
per peritos in arte taxiret und die auf dem gantzen Guth gehaftete Onera realia auf
die Singulos agros distribuiret seyn werde; so wurde ab anno 1750 bis 1760 eine
General-Renovatur in hiesiger Grafschaft vorgenommen, die Grundstücker durch
vereydete Experten abgeschätzet, die auf den gantzen Gütern gehaftete(n) Onera
realia auf die eintzelne(n) Stücker geleget und eine 12monatliche Steuer in Geld
eingeführet, sofort diesem allen vorgängig die vogteyliche Verfaßung der Güter
unterm 31. Januar 1764 aufgehoben und deren Vertheilung und Veräußerung gestat¬
tet4'. Generalrenovatur, neue Steuer und Vogteigüterteilung standen in einem un¬
auflöslichen Zusammenhang. Die Tatsache, daß die 1759/60 neu eingeführte all¬
gemeine und direkte Steuer eine deutliche Einnahmeerhöhung gegenüber den Er¬
trägen aus den alten Abgaben des Schaffts und der Schatzung darstellte42, zeigt, daß
die Herrschaft die durchaus drohenden Einnahmeverluste infolge der Güterteilung
mit Hilfe der neuen Steuer mehr als kompensieren wollte und konnte43. Das fiska¬
lische Interesse ließ sich also auch bei dieser so bedeutenden Reformmaßnahme nicht
40 Vgl. die Verordnung Fürst Wilhelm Heinrichs zur Aufhebung der Vogteien, Saarbrücken 31 .Januar
1764: LA SB 22/4427, S.95-104 (zit. S.95).
41 Vgl. die Quadruplik des Saarbrücker Regierungsrats und Anwalts des Fürsten im Köllertaler Prozeß,
Saarbrücken 4.Januar 1781: LA SB 22/2716, S.747-749.
42 Vgl. die Steuerliste für alle Orte der Grafschaft Saarbrücken, die die alten Abgaben mit der neuen
Steuer in bezug setzt, Saarbrücken 17.0ktober 1766: LA SB 22/2313, S.75-78; s.a. die Tabelle: ebd.,
S.71; vgl. zur neuen Steuer auch Gerhard, Steuerwesen, S.158f., der allerdings keinen Vergleich mit
den alten Abgaben vomahm, aber dennoch richtig eine "Steigerung" der Einnahmen vermutete; vgl.
auch die Zahlenbeispiele bei Collet, Wirtschaftsleben, S.15, die eine deutliche Einnahmesteigerung
belegen.
43 Vgl. zu diesem Gedanken auch Collet, Wirtschaftsleben, S. 15; vgl. auch den Forschungsüberblick von
Schmitt, der diese Frage aufwarf, sie aber noch "vorläufig offen" ließ (Saarregion, zit. S.26 u. S.32).
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