reichsrechtliche Stellung des Fürstentums relativ unbedeutend: Seit der Usinger
Herrschaftsübemahme im Frühjahr 1728 durften sich die Saarbrücker Grafen zwar
Fürsten nennen, sie hatten aber weder Stimme noch Sitz im Reichsfürstenrat, sondern
saßen im Reichstag weiterhin auf der Grafenbank und hatten nur innerhalb des
Wetterauer Grafenkollegs Anteil an einer der vier Kuriatstimmen, sie waren also
lediglich 'gefürstete Grafen’ und keine Reichsfürsten im verfassungsrechtlichen Sin¬
ne36. Eine nennenswerte militärische Macht besaß Nassau-Saarbrücken ebenfalls
nicht37. Angesichts dieser kleinstaatlichen und machtpolitisch unbedeutenden Ver¬
hältnisse und in nüchterner Einschätzung der politischen Gegebenheiten, die sich aus
der Grenzlage ihres Territoriums ergaben, suchten sämtliche nassau-saarbrückischen
Grafen seit dem Ende der französischen Reunionszeit eine gewisse politische Anleh¬
nung an Frankreich, die sich u.a. in der Annahme französischer Kriegsdienste, in der
Bereitstellung von Fremdregimentem, in verschiedenen Subsidienverträgen mit
Frankreich und in persönlichen Verbindungen zum französischen Hof niederschlug38.
Dieses Streben nach einem möglichst guten Verhältnis zum mächtigen französischen
Nachbarn änderte allerdings nichts an der Reichstreue der Saarbrücker Grafen, im
Gegenteil: Die Grenzlage erforderte zwar ein Taktieren und Lavieren, sie machte
aber auch die Verbundenheit zum Reich zur conditio sine qua non jedweder außen¬
politischer Beziehungen3'.
Derart kleinstaatliche Verhältnisse, wie sie Nassau-Saarbrücken aufwies, bieten
aufgrund der Nähe zwischen Fürst und Untertanen in gewissen Grenzen sehr gute
Voraussetzungen zur Untersuchung der Wechselwirkung von herrschaftlicher Politik
und Untertanen-Reaktionen40. In unserem Falle kamen noch weitere begünstigende
Faktoren hinzu: In Nassau-Saarbrücken hatte es nie Landstände gegeben, so daß der
herrschaftlichen Politik - vor allem der so bedeutenden Steuerpolitik - keine interme¬
diären Gewalten im Wege standen; hier konnte der Fürst wirklich absolut herrschen,
seiner Regierungsbefugnis waren lediglich durch die nassauischen Hausverträge
Grenzen gesetzt, wenn diese auch gewiß nicht zu unterschätzen waren41. Außerdem
war der Landesherr fast überall alleiniger Grundherr, Leibherr und oberster Richter
in einer Person42. Nachdem bereits im 16.Jahrhundert mit dem Aufkauf fremder
5r’ Vgl. zur Stellung Nassau-Saarbrückens als Reichsstand: Geck, Fürstentum, S.57ff.; s.a. zusammenfas¬
send und mit dem Verweis auf neue Quellen Herrmann, Wilhelm Heinrich, S.58f.
?7 Vgl. zum Saarbrücker Militärwesen im 18.Jahrhundert und seinen Ursprüngen: Hoppstädter, Löwe.
18 Dies gilt seit Graf Ludwig Kraft, der von 1697 bis 1713 regierte, vgl. Ruppersberg, Grafschaft II,
S. 181 ff.; Herrmann, Grundlinien, S.519; für die Zeit Wilhelm Heinrichs ders., Wilhelm Heinrich,
S.59f.
19 Vgl. allgem. zur "ausgeprägte(n) Kaisertreue am Oberrhein" Press, Oberrheinlande, S 3-18 (zit. S.9).
40 Vgl. dazu im Zusammenhang mit der aufgeklärten Reformpolitik in Hessen-Kassel Ingrao, State.; s.a.
den Forschungsbericht von Demel, Reformstaat, S.72.
41 Vgl. Herrmann, Wilhelm Heinrich, S.56-58.
4: Vgl. Karbach, Bauernwirtschaften, S.15.
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