Dieser bestand vielmehr in der Berufung auf das Huldigungsversprechen, das die
Städte nicht so wie es von der Herrschaft intendiert war, sondern ganz im altstän¬
dischen Sinne interpretierten. Während die Herrschaft damit den neuen Rechtsbegriff
ins Werk setzte, dachten die Bürger an die jahrhundertelang übliche Bestätigung
ihrer alten Rechte. So paradox es klingt: Die rationale Rechtsversicherung der
Herrschaft diente den Städten für einen defensiven Rechtsstreit mit der Herrschaft!
Der Grund für diese Paradoxie lag in dem unterschiedlichen Rechtsverständnis
zwischen einer rationalen Herrschaft und einer traditionalen Untertanenschaft. Die
Verrechtlichung der Auseinandersetzung zeigte sich auch daran, daß die städtischen
Amtsinhaber jetzt in ihren Petitionskonzepten zwischen dem petitorischen und dem
possessorischen Beweis unterschieden und zu dem Schluß kamen, daß ihre Waldge¬
rechtsamen in beidem, d.h. sowohl durch urkundliche Titel (Petitorium) als auch
durch einzelne, gleichsam additiv erworbene Besitzakte (Possession) ausreichend
fundiert seien und ihre Klage somit auch die gerechteste Sache sei'26.
Als die Fürstin nun, in Saarbrücken angekommen, die Städte zur Beschwerdeüberga¬
be aufforderte, da wagten sich die Bürger allerdings nicht, mit einem Rechtsstreit zu
drohen, wie sie das in ihren Konzepten vorgehabt hatten126 127 128. Offiziell brachten sie
lediglich ihre alte Beschwerde der Befreiung von der Aufsicht des Oberforstamts vor,
weil dies etwaß Neues sei und ihnen, den städtischen Repräsentanten, alß nur Ver¬
walter deß bürgerlichen Wesens von der Nachkömmlingschaft eine Verantwortung
aufgebürdet werdten dürftem. Die Städte wollten ihre Waldungen möglichst selbst
conserviren und auch die neuen Holztage, wenn sie schon bestehen blieben, unter
der Bürgerschaft endlich selbst reguliren. Ein gewisser Vertrauensbruch mit der
Herrschaft war jedoch nicht mehr zu überhören, wenn es jetzt am Ende der Bitte
hieß, daß durch die Befreiung vom Forstamt wieder ein gantz neues (=zeitgen.
Hervorhebung, KR.) mit herzlichem Gebette zu Gott verknüpftes unterthänigst
landeskindliches Vertrauen erwecket würde129.
126 Vgl. das erste Petitionskonzept vom Frühjahr 1731: StadtA SB Gemeins. Stadtger. 148, unpag. Zum
possesorischen und petitorischen Beweis vgl. oben Kap. 1.3a) sowie nochmals Troßbach, Aufklärung,
S.63f.
127 Daß die drei Petitionskonzepte nicht überreicht wurden, ergibt sich ex negativo aus der Petition der
beiden Saarstädte, Saarbrücken 21.November 1731: StadtA SB Gemeins. Stadtger. 153, unpag.; vgl.
dort auch zum Beschwerdeauffuf der Fürstin.
128 Vgl. die beiden Petitionsentwürfe der beiden Saarstädte vom Mai 1730 (o.T.): StadtA SB Gemeins.
Stadtger. 153, unpag. (zit. aus dem zweiten Entwurf); die beiden Entwürfe wurden offenbar zu einer
offiziellen Petition zusammengefaßt und der Fürstin überreicht, vgl. dazu rückblickend die Petition
der beiden Saarstädte, Saarbrücken 21.November 1731: ebd.
129 Vgl. den ersten Petitionsentwurf der beiden Saarstädte vom Mai 1730 (o.T.): StadtA SB Gemeins.
Stadtger. 153, unpag.; vgl. zum Vertrauensbruch den weiteren Beleg wg. der Bürgschaftsangele¬
genheiten, die zuvor als Treuebeweis vorgebracht wurden u. um deren Entledigung die Städte nun
baten: die Petition der beiden Saarstädte um Entledigung einer alten Bürgschaft, Saarbrücken 8.Juni
1731: StadtA SB Gemeins. Stadtger. 397, fol.l23f.
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