Grafengewalt - Herrschaftliche Verdichtung
Hugo I. konnte, wie wir gesehen haben, seine Machtposition gegen den nach
Norden expandierenden burgundisehen Welfen Rudolf im heutigen Schweizer
Raum, in Lüders und im Elsaß behaupten, möglicherweise hat er seine starke
Stellung bis in das Gebiet nördlich des Unterelsaß ausgedehnt.
Allerdings bedeutete die starke - in einer Hand vereinigte - Grafengewalt während
der Auseinandersetzungen um das Elsaß, die sich am Ende des 9. und in den ersten
Dekaden des folgenden Jahrhunderts abspielten, auch, daß die lokalen Gewalten,
sprich die Grafen, in diesem politischen Raum weitgehend selbständig agieren und
ungehindert die Verherrschaftlichung der Grafenämter voran treiben konnten. Diese
Entwicklung dürfte schon, wie sich aus obiger Darstellung der politischen Situation
ergibt, am Ausgang der Regierungszeit Arnulfs unter Zwentibolds Herrschaft in
Lotharingien eingesetzt haben und setzte sich mit Sicherheit während der
Minderjährigkeit Ludwigs fort. Das Königtum war aus seiner damaligen Position
heraus nicht in der Lage gegenzusteuem. Nach dem Ableben von Ludwig dem Kind
verstärkte sich während der Regierungs zeit Konrads I. diese Entwicklung, bedingt
durch die Auseinandersetzungen um das Elsaß.
3. Die Eberhardiner und das ottonische Königtum
Unter den Nachfolgern Konrads I. im Königsamt setzte ein grundlegender Wandel
in den Beziehungen zwischen den Grafen aus dem eberhardinischen Hause und dem
Königtum ein, der größtenteils bedingt war durch die Burgundpolitik der Herrscher
aus dem ottonisch-sächsischen Haus, vor allem ist hier Otto I. zu nennen. Die
Annäherung zwischen dem sächsischen und dem hochburgundisehen Königshaus,
welche bereits unter Heinrich I. einsetzte, hatte natürlich auch Konsequenzen für
die Stellung der Eberhardiner an der Burgundischen Pforte und im Elsaß. Die
Eberhardiner waren nun nicht mehr als Abwehrriegel gegen den Expansionsdrang
der burgundischen Welfen nach Lotharingien und in das Elsaß vonnöten. Sie wer¬
den die sich abzeichnende politische Annäherung zwischen den beiden Königs¬
familien mit Mißtrauen beobachtet und in der Folge davon in verstärktem Maße
versucht haben, dem Verlust ihrer einstmals wichtigen Funktion im Machtgefüge
im Dreieck Westschweiz, Burgundische Pforte und Elsaß entgegenzuwirken.
Infolge dieser Entwicklung blieb es natürlich nicht aus, daß sich Reibungspunkte
zwischen Königtum und Grafenfamilie bildeten. Ausfluß und Höhepunkt dieser
Entwicklung dürfte der von Otto 1. im Jahre 952 angestrengte Hochverratsprozeß
gegen Guntram, den dritten Sohn Hugos I., darstellen.
Die Eberhardiner und König Heinrich I.
Über das Verhältnis von Mitgliedern der Familie der Eberhardiner zu König Hein¬
rich I. ist auf Grund der Quellenarmut in dieser Zeit wenig bekannt, Erwähnungen
von eberhardinischen Grafen fehlen zum Beispiel gänzlich in den uns überlieferten
Urkunden Heinrichs I.
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