konnten für sich beanspruchen, die Ordnung der Bundesrepublik mitgestaltet zu haben.
Mitbestimmung und Tarifvertragsfreiheit förderten den sozialen Ausgleich. Im Saar¬
land zeigt sich dagegen, daß die Gewerkschaften durch fehlende Tarifautonomie und
eingeschränkte Mitbestimmung gegenüber ihren Mitgliedern unter Legitimierungs¬
druck standen. Es gelang ihnen nicht, gegenüber der Régie in Fragen der Gedingekon¬
trolle und der Personalpolitik die Wünsche der Basis durchzusetzen. Im Gegensatz zur
französischen Besatzungszone, insbesondere zu Baden, scheint auf Seiten des Hohen
Kommissariates und vor allem bei der Régie kaum die Ansicht bestanden zu haben,
daß die Gewerkschaften den eigenen ökonomischen Interessen dienlich sein würden,
wenn sie die Rolle eines sozialen Ordnungsfaktors spielen konnten.397
Diese Aspekte und die Konfrontation mit französischen Arbeitgebervertretern, vor
allem der Régie, erschwerten eine Integration der Gewerkschaften in das politische
Konzept einer autonomen Saar. Aus diesem Kontext erklärt sich die Nationalisierung
der Gewerkschaften, denn sie setzten angesichts einer schwachen Rolle in Tarif- und
Mitbestimmungsfragen auf nationale Integrationsmuster, um sich selbst zu legitimie¬
ren. In der Bundesrepublik läßt sich genau die umgekehrte Entwicklung beobachten.
Dort trug die Sozialpolitik insbesondere durch das konstruktivere Verhältnis zwischen
den Sozialpartnern zur Stabilisierung der jungen Republik bei.398 Nationale Integra¬
tionsmuster wurden durch soziale verdrängt.
397
Wolfrum, Französische Besatzungspolitik, S.64.
398 _
Zur legitimatorischen Bedeutung der Sozialpolitik für die Bonner Demokratie, siehe: Hans Günter
Hockerts, Sozialpolitik in der BRD, in: Hans Pohl (Hrsg.), Staatliche, städtische, betriebliche und
kirchliche Sozialpolitik vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart 1991, S.361. M. Rainer L e p s i u s,
Demokratie in Deutschland, Göttingenl993.
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