Full text: Sozialer Besitzstand und gescheiterte Sozialpartnerschaft

Menschen441 447, stellte die Wirtschafts- und Sozialpolitik der jungen Bundesrepublik vor 
erhebliche Aufgaben und erklärt auch, daß der sozialpolitische Verteilungsspielraum 
im Vergleich zum Saarland wesentlich geringer war. 1956 lebten im Saarland bei einer 
Bevölkerung von einer Million gerade 22.000 Vertriebene.448 Bis 1956 gab der Bund 
286 Millionen DM an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Vertriebene aus, jeder 
Dritte Vertriebene war arbeitslos.449 
Früherer wirtschaftlicher Aufschwung und keine Millionenmigration mit entsprechen¬ 
den Integrationsopfern verschonten das Saarland deshalb auch von der Arbeitslosig¬ 
keit. Im Februar 1950 bewegte sich die bundesdeutsche Arbeitslosenquote mit 12,2 
Prozent fast auf dem Fünffachen der saarländischen von 2,5 Prozent.450 Im Rahmen der 
RückgliederungsVerhandlungen hielt Bundesarbeitsminister Storch (CDU) den Saar¬ 
ländern in ihrem Bemühen zur Wahrung des "sozialen Besitzstandes" vor:" In der Zeit, 
als wir bei uns in Deutschland 2 Millionen Arbeitslose hatten, gab es an der Saar keine 
Arbeitslosen. In der Zeit, als wir im Bundesgebiet annähernd 10 Millionen Flüchtlinge 
eingliedem mußten, war eine derartige Aufgabe an der Saar nicht gegeben."451 
Angesichts der wirtschaftlichen Monostruktur des Saarlandes, die in den siebziger 
Jahren zur wirtschaftlichen Dauerkrise des Landes führen sollte, ist es interessant zu 
beobachten, daß die Migration von Vertriebenen und Flüchtlingen in einigen Bundes¬ 
ländern sich langfristig positiv auswirken sollte. Werner Abelshauser hat nachgewie¬ 
sen, daß in wirtschaftlich einseitig geprägten Gebieten wie Bayern durch die Ansied¬ 
lung von Vertriebenen eine gesunde agrarisch-industrielle Mischstruktur mit einer 
hohen Resistenz gegenüber konjunkturell ungünstigen Entwicklungen entstanden sei. 
In diesen Regionen bauten die Vertriebenen kleine und mittlere Handwerksbetriebe auf 
und bildeten damit einen Ausgleich zur agrarischen Monostruktur.452 
441 Werner Abelshauser, Der Lastenausgleich und die Eingliederung der Vertriebenen und Flücht¬ 
linge - Eine Skizze, in: Helga Grebing (Hrsg.), Flüchtlinge und Vertriebene in der westdeutschen Nach¬ 
kriegsgeschichte, Hildesheim 1987, S.233. Hans Günter Hockerts, Bürgerliche Sozialreform nach 
1945, in: Rüdiger vom Bruch (Hrsg.), Weder Kommunismus noch Kapitalismus. Bürgerliche Sozialreform 
in Deutschland vom Vormärz bis zur Ära Adenauer, München 1986, S.252. Außerdem: M. Rainer 
Lepsius, Demokratie in Deutschland, Göttingen 1992, S.146. Siehe auch: Oswald von Nell- 
B r e u n i n g, Der Beitrag des Katholizismus zur Sozialpolitik der Nachkriegszeit, in: Albrecht Langner 
(Hrsg.), Katholizismus, Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik 1945-1963, Paderborn 1980, S.115. 
LA SB, NL Heinrich Schneider, Nr.234, Auszug aus dem Dt. Informationsdienst Nr.2 vom 30.4.56. 
449 
Abelshauser, Der Lastenausgleich, S. 23 3-235. 
450 
Klaus M e g e r 1 e, Die Radikalisierung blieb aus. Zur Integration gesellschaftlicher Gruppen in der 
Bundesrepublik Deutschland während des Nachkriegsbooms, in: Hartmut Kaelble (Hrsg.), Der Boom 
1948-1973. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und in 
Europa, Opladen 1992, S. 116, 119 f. H e i n e n, Vom frühen Scheitern der französischen Saarpolitik, 
S.165, 170. 
DB DS 2.WP., Niederschrift zur 181. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 14.12.56, S.10.003. 
452 
Abelshauser, Der Lastenausgleich, S.235. Siehe auch: Friedrich Prinz, Integration und 
Neubeginn. Dokumentation über die Leistung des Freistaates Bayern und des Bundes zur Eingliederung 
der Wirtschaftsbetriebe der Vertriebenen und der Flüchtlinge und deren Beitrag zur wirtschaftlichen 
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