destabilisierend wirken".424 Genau dies scheint Johannes Hoffmann erkannt und
Konsequenzen daraus gezogen zu haben. Ein ähnliches Konzept - Harmonisierungs¬
und Versöhnungskurs zur gesellschaftlichen Integration und Stabilisierung - findet sich
in der Einstellung der dänischen Nachkriegsgesellschaft zur Kollaboration der dä¬
nischen Justiz mit den deutschen Besatzern und ihrer strafrechtlichen Ahndung.425
Primat ethisch-moralischer Motive sozialdemokratischer Wiedergutmachungspolitik
Auch für die SPS war Versöhnung ein politisches Ziel. Es war aber nur über aus¬
reichende Entschädigung bzw. Wiedergutmachung möglich, so betonte Hermann Petri,
erst wenn "(...) einigermaßen das Unrecht wiedergutgemacht wird, dann werden wir
auch im Saarland nach und nach zu einer Aussöhnung kommen, die wir brauchen, um
unsere gemeinsamen großen Aufgaben des Volkes in der Zukunft zu erfüllen." Die
SPS bekannte sich auch zu dem politischen Kampf ihrer Mitglieder vor 1935 und
leitete einen moralischen Anspruch daraus ab, eine deutliche Trennungslinie zwischen
Opfern des Nationalsozialismus und Kriegsopfern zu ziehen, so stellte Petri über die
Gruppe der Opfer des Nationalsozialismus fest:"Sie haben dem Volk an der Saar
deutlich gesagt, daß das Naziregime zum Kriege führt, und deshalb wurde diesen
Nazigegnern eine Behandlung zuteil, die in der ganzen Welt Empörung ausgelöst
hat."426
Wenn man die Position von saarländischen und bundesdeutschen Sozialdemokraten
vergleicht, zeigen sich Ähnlichkeiten. Insgesamt scheint sowohl in der Bundesrepublik
als auch im Saarland die Sozialdemokratie in der Wiedergutmachungsfrage stärker als
die Christdemokraten engagiert gewesen zu sein, wie die Politik Richard Kims im
Saarland zeigt und die Rolle deutscher Sozialdemokraten wie Carlo Schmid, Adolf
Arndt, Otto Heinrich Greve und Jakob Altmaier nahelegt. Die SPD hatte im übrigen
auch bei den Grundgesetzberatungen versucht, eine Wiedergutmachungsklausel
aufzunehmen. Was die Wiedergutmachungspolitik der CDU/CSU betrifft, so muß auf
den besonderen Einsatz und die Sonderrolle Adenauers hinsichtlich der Wiedergutma¬
chungsleistung an Israel hingewiesen werden. Tendenziell entsprach aber die Position
der Union der CVP, da beide Parteien sich in Fragen der Entschädigung für die Opfer
des Nationalsozialismus eher restriktiv verhielten und eine besondere Unterstützung
ablehnten.427
424
G o s c h 1 e r, Wiedergutmachung, S.221. Nach Einschätzung von Hans-Peter Schwarz habe Adenauer
innenpolitisch "vom neurotischen Dauergeschwätz über die NS-Vergangenheit” nichts gehalten, siehe:
Hans-Peter Schwarz, Adenauer. Der Staatsmann: 1952-1967, Stuttgart 1991, S.699.
425
Ditlev Tamm, Kollaboration und ihre strafrechtliche Ahndung in Dänemark nach dem Zweiten
Weltkrieg, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 5/1983, S.44-73,
426 LTS DS 1/37, Niederschrift zur Sitzung vom 30.7.48, S.8.
Siehe zu CDU/CSU und SPD: Goschler, Wiedergutmachung, S.199, 203.
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