Full text: Sozialer Besitzstand und gescheiterte Sozialpartnerschaft

Die Haltung Hoffmanns zur Wiedergutmachungsfrage deutet darauf hin, daß er sich 
dieser psychologischen Problematik bewußt war, und sein Versöhnungskurs dem 
entgegensteuern sollte, um die eigene politische Position zu stabilisieren. Hier darf 
nicht vergessen werden, daß die Regierung Hoffmann unter einem ständigen Recht¬ 
fertigungsdruck stand. In letzter Konsequenz bedeutete Hoffmanns Kurs ein Nivellie¬ 
ren der Opfer des Nationalsozialismus mit den Kriegsopfern und war Ausdruck eines 
politischen Modells, alle Kräfte zu integrieren, um die eigene politische Herrschaft 
nicht zu destabilisieren, wohl aus Furcht, daß ein anderer Weg das Konzept des Saar¬ 
staates in Frage stellen könnte. 
Hoffmanns Bemühungen zur Harmonisierung zeigen sich in seiner Rede zum Wieder¬ 
gutmachungsgesetz vom 30. Juli 1948 in der Aussage, er werde "niemals auch nur 
einen Centime aus diesem Gesetz beanspruchen (...) auch nicht wenn es mir zugespro¬ 
chen wird". In dieser Haltung kann man den Versuch erkennen, die eigene Vergangen¬ 
heit als Opfer des Nationalsozialismus nach Möglichkeit zu verdecken, zumindest sie 
aber nicht herauszustellen und daraus keine Ansprüche für sich abzuleiten. Der In¬ 
tegrationswille kommt dann in dem Vorschlag zum Ausdruck, er würde entsprechende 
Geldbeträge "auf der einen Seite etwa zwischen dem Kind einer hingemordeten jü¬ 
dischen Familie oder meinetwegen eines Kommunisten (...), und auf der anderen Seite 
zweier kinderreicher Familien eines in diesem wahnsinnigen Krieg gefallenen Saarlän¬ 
ders teilen".419 In dieser Aussage steckt die Botschaft, daß er Ministerpräsident aller 
Saarländer sein und sozusagen zwischen den Angehörigen der Täter und den Angehö¬ 
rigen der Opfer keinen Unterschied ziehen möchte. Hoffmanns Strategie zeigte sich 
auch in seiner Regierungserklärung vom 14. April 1951, in der er betonte, es sei ihm 
eine Herzenssache, den Rentnern, Witwen und Waisen, den ehemaligen Kriegsgefan¬ 
genen und Kriegsopfern, auch den Unfallopfern eine menschennahe Fürsorge angedei¬ 
hen zu lassen. Mit keiner Silbe ging der Ministerpräsident auf die Opfer des National¬ 
sozialismus ein, was der Generalsekretär des BVN Karl Mössinger voller Verbitterung 
in einem Schreiben an Hoffmann beklagte.420 
Die Position der CVP-Minister und insbesondere die des Ministerpräsidenten in der 
Frage der Entnazifizierung stützt die These, daß die CVP und Johannes Hoffmann 
Konflikte bei der Frage der Aufarbeitung der Vergangenheit scheuten und einen 
gesellschaftlichen Harmonisierungskurs verfolgten, das hieß ein Versöhnungskonzept 
ohne öffentliche Schuldzuweisung und Schuldaufarbeitung. Zwangsläufig bedeutete 
dies, daß den Opfern des Nationalsozialismus keine besondere Hilfe zuteil wurde, weil 
man andernfalls wohl um die politische Stabilität fürchtete. So verteidigte Hoffmann 
gegenüber Grandval, daß sich unter den Anfang 1949 entlassenen Mitarbeitern des 
LTS DS 1/37, Niederschrift zur Sitzung vom 30.8.48, S.11-13. 
Ebd., StK, Nr.3204, Karl Mössinger, BVN, an Johannes Hoffmann vom 20.4.51. 
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