deutlich:" Dieses Mißtrauen dehnt sich naturgemäß auf die Militärregierung aus, weil
man sagt, die Militärregierung protegiere die Emigranten, welche zum größten Teil
ohne Lebensgefahr 1935 das Saarland und seine Bevölkerung dem Schicksal überlas¬
sen haben und durch Frankreichs Gastfreundschaft ein schön geführtes Leben haben,
während die Saarländer, welche nicht mit Nationalsozialisten fraternisiert haben,
jahrelanges äußeres und inneres Leid erduldet haben, jetzt aber sich von Emigranten
führen lassen müssen, welche die damaligen Verhältnisse niemals am eigenen Leib
gespürt hätten, nun aber so täten, als hätten sie die Welt vom Nazismus gerettet."413
Genau diesen Anspruch glaubten einige, die in Deutschland geblieben waren und sich
für Widerstand und innere Emigration entschieden hatten, wahrnehmen zu können:
"Als die Emigranten nach 1945 dann zurückkamen, ging es los, mit dem Anspruch ein
Recht zu haben, politisch bestimmen zu können, ein Recht zu haben, die Wohnung
eines Nazis beschlagnahmen zu lassen und für sich zu beanspruchen. Manche Emi¬
granten kamen auch mit Rachegedanken zurück. Selbstherrlich erschienen sie auf
Gemeindeverwaltungen und stellten ihre Forderungen. Wir haben in Erinnerung, daß
sich viele regelrecht aufspielten."414
Die Emigranten waren nach Kriegsende zusammen mit der Besatzungsmacht zurück¬
gekehrt. Psychologisch förderte dies bei den Dagebliebenen eine suggestive Gleich¬
stellung der Remigranten mit ihr. Diese Emotion wurde wohl noch dadurch verstärkt,
daß sie in der Regel während ihres Exils gute Sprachkenntnisse, insbesondere Franzö¬
sisch, erworben hatten und damit die Sprache der Besatzungsmacht beherrschten, was
Ihnen den Umgang mit ihr erleichterte. Der Leiter der Präsidialkanzlei Franz Schleho-
fer bestätigte das gleichzeitige Erscheinen von ehemaligen Emigranten und Vertretern
der französischen Militärregierung und die Sprachkompetenz der Emigranten als
Motive für das Unbehagen breiter Schichten gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe.
Hinzu kam, daß Remigranten wichtige Ämter übernahmen, Parteien und Gewerk¬
schaften aufbauten. Grandval förderte diese Entwicklung, wie Dieter Marc Schneider
betont.415
LA SB, VWK, Nr.15, Dr. Buschlinger, Landrat des Kreises Ottweiter (im folgenden OTW), an die
Militärregierung des Kreises OTW und an Vorsitz, der VWK vom 19.11.47.
414
Interview mit Walter und Lina Bier am 19.5.1994. Ähnlich äußerte sich einer der bedeutendsten
saarländischen Gewerkschaftler der Ära Hoffmann, Aloys Schmitt, in einem Interview am
27.1.1994:"Andere Menschen blieben aber in Deutschland und litten dort. Die, die nach Frankreich
emigriert waren, kamen dann aus der Emigration zurück und beanspruchten jetzt, weil sie in Frankreich im
Exil waren und dort Französisch gelernt hatten, die Politik zu bestimmen, beanspruchten sozusagen,
Privilegierte zu sein. Die Saarländer fühlten sich durch solche Leute an Frankreich verkauft, Deutsche
waren wir aber immer. Und viele litten, gerade weil sie hier geblieben waren."
415
Interview mit Franz Schlehofer am 23.2.1994. Dieter Marc Schneider, Gilbert Grandval,
Frankreichs Prokonsul an der Saar 1945-1955, in: Stefan Martens (Hrsg.), Vom 'Erbfeind zum 'Erneuerer'.
Aspekte und Motive der französischen Deutschlandpolitik nach dem Zweiten Welt krieg (Francia Beihefte
Bd.27), Sigmaringen 1993, S.211.
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