geschickt, als er einer die Gewerkschaft reizenden Diskussion über das Thema Fa¬
milien- oder Leistungslohn aus dem Wege ging, und die Formel des Leistungslohnes
mit Familienzuschlag einführte, die aber im Grunde einem Familienlohn entsprach.129
In seinem Bemühen, das saarländische Familienzulagensystem auf die Bundesrepublik
auszudehnen, erhielt der Minister zumindest partiell Zustimmung vom katholischen
Klerus, insbesondere aber von den konfessionell geprägten Familienverbänden. Mat¬
thias Wehr, der Bischof von Trier, soll sich anläßlich des Diözesan-Kolpingtages in
Bad Kreuznach indirekt für das saarländische System ausgesprochen haben, indem er
betonte, die Familienzulagen als Ergänzung zum Leistungslohn stimmten ganz ohne
Zweifel mit der katholischen Soziallehre überein.130
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Familienorganisationen mit den beiden großen
konfessionellen Organisationen, dem Familienbund Deutscher Katholiken und der
Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Familienfragen, wiesen hinsichtlich der Fa¬
milienzulagen im Saarland sowohl 1957 als auch 1959 darauf hin, daß kein Saarländer
durch die Rückgliederung schlechter gestellt werden dürfe. Nach dem Willen der
Familienverbände sollte in Anlehnung an Wuermelings Position, das Saarland Vorbild
für den Familienlastenausgleich in der Bundesrepublik sein, gegenüber Bundeskanzler
Adenauer betonte man -"Schon angesichts der bevorstehenden Neuregelung für das
übrige Bundesgebiet wäre es schlechterdings unverständlich, in diesem Zeitpunkt die
gesündere Regelung des Saarlandes, die uns Vorbild sein sollte, aufzuheben.131
Auch die Gewerkschaften standen der saarländischen Familienpolitik relativ offen
gegenüber. Wenn der DGB auch kein Familienlohnsystem wünschte, so hielt er doch
die bisherige bundesdeutsche Regelung für unzureichend und sah in der Rückglie¬
derung des Saarlandes eine Chance, die soziale Situation für Familien mit Kindern zu
verbessern. Demgegenüber erhob die deutsche Wirtschaft sofort Bedenken.132 Ins¬
besondere das Deutsche Industrieinstitut stellte sich gegen Wuermelings Bemühen, das
saarländische Familienzulagensystem zu übernehmen.133
129
ACDPSt Augustin, NL Wuermeling, 1-221/018, Manuskript einer Rede von Wuermeling in Pforzheim
und Rottenburg am 7.12.58.
130 Auf entsprechende Äußerungen berief sich Kurt Conrad (SPD), siehe: Deutscher Bundestag (DB), DS
3.WP., Niederschrift zur 79.Sitzung vom 25.6.59, S.4327.
131
BA KO, Bundeskanzleramt (B 136), Nr.940, B1.260, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Familienorgani¬
sationen an Bundeskanzler Adenauer vom 20.5.59. Siehe auch B1.314, Bund der Kinderreichen
Deutschlands vom 9.6.59.
132
Ebd., B1.280, Kurzprotokoll zur gemeinsamen Sitzung im Deutschen Bundestag. 48.Sitzung des
Ausschusses für Arbeit, 35.Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik am 27.5.59.
133 ACDP St. Augustin, NL Wuermeling, 1-221/018, Schnelldienst Deutsches Industrieinstitut Nr.3 vom
10.1.58. Es gäbe im Bundeskabinett Vorschläge, das saarländische Familienzulagensystem zu übernehmen,
Exponent sei Bundesminister Wuermeling. Berichte zur Sozialpolitik Nr.2/1958 vom 31.3.58, hrsg. v.
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