Saarland nach 1945 insofern, als sich 1950 im Vergleich zur Vorkriegszeit der Abstand
zur Bundesrepublik wesentlich verringert hatte.50
Soziales Prestige als Weg zur staatlichen Anerkennung
Die Sozialpolitik im Saarland war ein Politikum ersten Ranges. Sie diente nicht nur
einer allgemeinen politischen Stabilisierung so wie in fast allen europäischen Staaten,
sondern sie wurde für ein autonomes, von der Bundesrepublik abgetrenntes Saarland,
instrumentalisiert. Das Land versuchte auch auf internationalem Parkett, über die
Sozialpolitik, in internationale Organisationen aufgenommen zu werden. Parallel dazu
bemühte es sich erfolgreich um die Verabschiedung zahlreicher Sozialversicherungs¬
abkommen mit europäischen Ländern. Die Sozialpolitik sollte so indirekt die staatliche
Anerkennung des Saarlandes fördern. Besonders engagiert war in diesem Bemühen der
CVP-Politiker August Martin. Er hatte zahlreiche sozialpolitische Funktionen ausgeübt,
vom Präsidenten des Landesversicherungsamtes bis hin zum Ministerialdirektor im
Arbeitsministerium, um dann im Amt für Auswärtige und Europäische Angelegenhei¬
ten auf internationaler Ebene die sozialpolitischen Leistungen des Saarlandes vor¬
zustellen. Es gelang dem Saarland wegen seiner eingeschränkten Souveränität jedoch
nicht, ordentliches Mitglied internationaler Organisationen zu werden. So konnte es an
der Internationalen Arbeitsorganisation (I.A.O.) nur als Beobachter teilnehmen. Eben¬
falls nur eine assoziierte Mitgliedschaft übte das Saarland in der Union Internationale
des Organismes Familiaux aus.51 Es ist zu betonen, daß die Bemühungen um Auf¬
nahme in europäische und internationale Organisationen in einem größeren Rahmen zu
sehen sind, hier sei an das Streben nach einer Mitgliedschaft in der Montanunion oder
im Europarat erinnert.
Über das Engagement in den jeweiligen Organisationen sollte der sozialpolitische
Vorsprung des Saarlandes einerseits einer breiteren internationalen Öffentlichkeit
präsentiert werden, andererseits sollten so für die innersaarländische Diskussion
neutrale und international anerkannte Organisationen mit ihren Veröffentlichungen die
soziale Spitzenstellung des Landes nachhaltig unterstreichen. So heißt es in einem
Papier des Amtes für Auswärtige und Europäische Angelegenheiten:"Es muß dafür
50 SVZ vom 14.1.52. Danach ergibt sich folgendes Bild. Säuglingssterblichkeit auf 100 lebend Geborene.
Deutschland Saarland
Frankreich
England
Schweden
1938
5,9
7,3
6,6
5,5
4,3
1946
9,5
12,2
6,7
4,3
2,7
1947
8,5
11,3
6,6
2,5
4,4
1948
6,8
8,4
5,2
3,6
2,3
1949
5,9
7,2
5,2
3,4
2,3
1950
5,5
6,2
o.A.
3,1
2,0
LA SB, MifAS, Bd.30, Bericht zur Teilnahme an dem Internat. Kongreß der Familienbewegung in
Stuttgart, Ebd., Bü.5, Aufnahme in die Union Internationale des organismes familiaux, Jean Delaporte an
Richard Kim vom 7.1.54.
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