worden seien als in der Bundesrepublik.137 Das Rentenniveau im Saarland war bis zur
Rentenreform von 1957 höher, nach bundesdeutscher Einschätzung standen Beitrags¬
aufkommen und Rentenlast aber in einem viel schlechteren Verhältnis zueinander.138
Während in der Bundesrepublik dem Einheitsversicherungsgedanken eine klare Absa¬
ge erteilt und die organisatorische Trennung von Invaliden- und Angestelltenversiche-
rung im Jahr 1953 durch die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
betont worden war, blieb es im Saarland dabei, daß die LVA die Angestellten- und
Invalidenversicherung, wenn auch getrennt, verwaltete. Bis zur Gründung der Bundes¬
versicherungsanstalt für Angestellte wurde dies in den deutschen Ländern genauso
gehandhabt, da die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte 1945 nicht mehr funk¬
tionsfähig gewesen war.139
2.3 Staatliche Sozialrentnerhilfe als Instrument gegen Rentnerarmut
Auch wenn die Rentensituaüon im Saarland günstiger war als in der Bundesrepublik,
so galt auch für das Saarland, daß die Rentnerexistenz sehr oft mit Armut verbunden
war. Viele Menschen hatten vor dem "Alt-Sein" und dem Rentenalter Angst. Das
Phänomen der Rentnerarmut gehörte bereits in der Weimarer Republik zu den ungelö¬
sten gesellschaftlichen Problemen. Das Rentenniveau war so angelegt, daß ergänzend
zur Rente für die Sicherung der Existenz Nebeneinkünfte notwendig waren, wie z.B.
durch Zimmervermietungen und kleine Nebeneinkünfte. Selbst in konjunkturell guten
Jahren erhielt ein Drittel der Rentenempfänger die Sozialrentnerfürsorge. Deshalb
forderten Sozialdemokratie und Gewerkschaften auch eine daseinssichernde Rente.140
Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich an der Altersarmut wenig. Hans Günter
Hockerts stellt auch für die erste Hälfte der fünfziger Jahre in der Bundesrepublik eine
"buchstäbliche Verelendung der Sozialrentnerschicht" fest.141
Die Ursache dafür lag im insgesamt doch niedrigen Rentenniveau. Die Rentenhöhe
hatte sich dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandel zur hochindu¬
strialisierten Gesellschaft noch nicht angepaßt. In der Nachkriegszeit war die Rente zur
einzigen Existenzgrundlage geworden, konzipiert war sie aber als Zuschuß zu einer in
anderer Weise gesicherten Subsistenz.142
BA KO, Bundesministerium für Arbeit (B 149), Nr.3698, B1.40, Vermerk Dr. Caesar vom 19.10.56.
"(■••) in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten mehr als bei den übrigen Zweigen der
Sozialversicherung eine günstigere Regelung im jetzigen Saarrecht getroffen ist, als es zur Zeit im
Bundesgebiet der Fall ist".
Vgl. Bundesarbeitsminister Storch, in: DS DB, 2.WP. Niederschrift zur 181.Sitzung des Deut-schen
Bundestages am 14.12.56, S. 10.008.
139
Hockerts, Sozialpolitische Entscheidungen, S.152. Ders., Sicherung im Alter, S.312.
140 _
Tennstedt, Der Ausbau der Sozialversicherung, S.234.
Hans Günter Hockerts, Sozialpolitik in der Bundesrepublik, in: Hans Pohl (Hrsg.), Staatliche,
städtische, betriebliche und kirchliche Sozialpolitik vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart 1991,
S.363.
142 Ders., Sicherung im Alter, S.296 f.
127