Full text: Sozialer Besitzstand und gescheiterte Sozialpartnerschaft

zum Familieniohn.26 Gerade von der katholischen Soziallehre waren Ende des 19. 
Jahrhunderts, z.B. durch die Sozialenzyklika Rerum Novarum von 1891, Impulse für 
einen Familienlohn ausgegangen. In Opposition zur liberalen Lehre des Leistungs¬ 
lohnes forderte die katholische Soziallehre, der Lohn müsse nicht nur der Leistung, 
sondern auch den Bedürfnissen des Arbeiters und seiner Familie Rechnung tragen.27 
Diese Positionen stießen im Saarland mit seinem überproportional hohen Katholiken¬ 
anteil und einer Regierungspartei, die sich zur katholischen Soziallehre bekannte, auf 
fruchtbaren Boden.28 
Nicht zuletzt wurden auch in der saarländischen Verfassung Ehe und Familie als 
natürliche Grundlagen des Gemeinschaftslebens definiert. Familie und Mutterschaft 
genossen staatlichen Schutz und Förderung.29 Entsprechende verfassungsrechtliche 
Verankerungen bedeuteten aber nicht immer auch eine aktive Familienpolitik in der 
politischen Praxis. 1958 schützten immerhin schon 33 Staaten in ihrer Verfassung Ehe 
und Familie.30 
Streit um die Familienzulagenkasse 
Wenn CVP und SPS auch das Familienzulagensystem befürworteten, so entwickelte 
sich doch eine heftige Kontroverse über die Organisation der Familienzulagenkasse, 
eine im Vergleich zur französischen Diskussion konvergierende Entwicklung. Bis zum 
26 Siehe Redebeitrag des CVP-Abgeordneten Germann, in: LTS DS 1/15, Niederschrift zur Sitzung vom 
24.3.48. 
27 
B r e m m e, Freiheit, S.179. Irène B o u r q u i n, 'Vie ouvrière’ und Sozialpolitik. Die Einführung der 
Retraites ouvrières' in Frankreich um 1910. Ein Beitrag zur Geschichte der Sozialversicherung, Bern 1977, 
S.300. 
28 Winfried Becker, Johannes Hoffmann und die frühe Programmatik der CVP. Zum Beginn christlicher 
Parteibildung im Saarland nach 1945, in: Revue d’Allemagne XVIII/1986, S.40. Fast 75 Prozent der 
Bevölkerung waren katholisch. Statistisches Amt des Saarlandes (Hrsg), Kurzbericht Nr. II/l, Januar 1955. 
Danach betrug der Katholikenanteil 1951 73,4 Proz. und der evangelische 25,3 Proz., regional differenziert 
zeigen sich die Kreise Saarlouis (94,6), Merzig/Wadern (96,4), St. Wendel (79,1) und St. Ingbert (83,5) als 
katholische Bastionen. 
Verfassung vom 15.12.47, in: Abi.1947, S.1077 f., siehe Art.22 und Art.23 der Verfassung des 
Saarlandes vom 15.12.47. Artikel 22:"Ehe und Familie genießen (...) den besonderen Schutz und die 
Förderung des Staates. Die Ehe beruht auf der Gleichberechtigung der Geschlechter." Artikel 23:"Die 
Mutterschaft hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge des Staates." 
Gabriele B r e m m e, Ehe und Familie, in: Herders Staatslexikon, Freiburg 1958, Sp.1031 f. Zur 
Berücksichtigung der Familie und kirchlicher Forderungen in der Verfassung, siehe: Bernd Joachim 
F a b e r, Kirche und Staat im Saarland. Eine staatskirchenrechtliche Untersuchung, Diss. Freiburg 1981, 
S.198. Heinrich Kü ppers, Bildungspolitik im Saarland 1945-1955, Saarbrücken 1984, S.132-163. Ders., 
Staatsaufbau zwischen Bruch und Tradition. Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz 1946-1955, Mainz 
1990, S.116-132. Michael Sander, Die Verfassung des Saarlandes, in: Rainer Hudemann und Raymond 
Poidevin (Hrsg.), Die Saar 1945-1955. Ein Problem der europäischen Geschichte, München 1992, S.250. 
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