Es beginnt mit der Übernahme aller sechs Kapitel von Coulaines in den umfangreichen
Beschlußtext der Synode von Meaux-Paris (845 Juni 17-846 Februar 2).34 Die Plazierung an
der Spitze der Gesamtcapitulatio läßt ihre hohe Bedeutung erkennen; und man erhält den
Eindruck, die folgenden Canones der drei in Meaux rezipierten Synoden bezögen sich
zunächst auf die allgemein verbindliche Verfassungsgrundlage, die in Coulaines gefunden
und beschworen worden war. Eine vor dem Synodaltext stehende Inscriptio verdeutlicht
diesen Zusammenhang zusätzlich, wenn sie betont, es handle sich um Capitula ex con¬
ventu habito in villa, que dicitur Colonia, consensu principis et episcoporum ac ceterorum
fidelium prolata et confirmata et ab omnibus dei fidelibus necessario observanda (!)35. Die
zitierte Inscriptio weiß sehr genau, daß der conventus von Coulaines keine Synode war, was
strikt zu beachten ist, weil die neueste Edition der MGH den Vertrag von Coulaines unter
die Konzilstexte reiht und mißlicher Verwechslung Vorschub leistet.36
Auf einer contra morem im Juni 846 in Epernay abgehaltenen Reichsversammlung bekräf¬
tigte Karl d.K. lediglich 19 der 83 canones der Synode von Meaux-Paris und brüskierte mit
dieser drastischen Beschränkung den westfränkischen Episkopat. Immerhin standen an der
Spitze der 19 nur als Titel überlieferten Bestimmungen die Verfassungsartikel 1 und 2 von
Coulaines.37
Bezug genommen wird auf den Vertrag von Coulaines auch im August 856, als westfränki¬
sche Bischöfe und weltlicher Adel eine schriftliche Mahnung an ihren König richteten, der
zusätzlich zu anderen Bestimmungen auch die capitula, quae vos ipse cum fidelibus vestris
in Colonia villa manu propria confirmastis, sorgfältig und regelmäßig sich in Erinnerung
rufen und nachlesen solle.38
In denselben Zusammenhang gehört das bedeutsame Kapitular von PTtres 869 Juli, dessen
erstes Kapitel Teile von c.1 des Vertrages von Coulaines zitiert und sich in c.2 bis 5 wesent¬
lich auf diesen Vertragstext bezieht.39 Noch bemerkenswerter ist die Bekräftigung der
vertraglichen Abmachungen vom November 843 im Kapitular von Quierzy vom 14. Juni
877. Kaiser Karl der Kahle hatte es im Konsens mit seinen Fideles erlassen, doch erklärt die
Inscriptio, daß der Kaiser einige Capitula selbst verfaßte, bei einigen anderen sich von
seinen Fideles Antworten geben ließ.40 Das merkwürdige Verfahren, bei dem in beiden
Varianten eine schriftliche Vorlage den Großen zur Verfügung stand und das Gelegenheit
34 MGH Concilia 3, Nr. 11, S. 86-88. W. Hartmann verweist als Herausgeber S. 86 Anm.32 auf die her¬
ausgehobene Plazierung: „Obwohl die Synode von Coulaines nicht die zeitlich erste der vier in Meaux
rezipierten Synoden war, stehen ihre Beschlüsse am Beginn der Kanones von Meaux-Paris; sicherlich
ein Zeichen für die große Bedeutung, die diesen Texten als einem Grundgesetz des westfränkischen
Reiches zugemessen wurde."
35 MGH Concilia 3, S. 86.
36 MGH Concilia 3, Nr. 3, S. 1 Off. - ohne Begründung der Aufnahme in den Konzilienband, obwohl der
Herausgeber von einer Reichsversammlung und Vertrag (S.10) spricht, andererseits in verwirrender
Weise „die Akten von Coulaines" (S. 10), die „sechs Kanones von Coulaines" (S. 11) oder „die Synode
von Coulaines" (S. 86f. 32) erwähnt.
37 MGH Capitularia 2, Nr. 257, S. 261.
38 MGH Capitularia 2, Nr. 295, S. 424.
39 MGH Capitularia 2, Nr. 275, S. 333;- (falscher Seitenverweis bei Hartmann, MGH Concilia 3, S. 13).
40 MGH Capitularia 2, Nr. 281, S. 355.
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