II
Im Gegensatz zu der älteren Ansicht, die Bischöfe Lotharingiens hätten für die Belange der
Mönche kaum ein offenes Ohr besessen und die Klöster vor allem als wirtschaftlich nutz¬
bare Objekte betrachtet,39 hat die neuere Forschung die Bedeutung des oberlothringischen
Episkopats für die monastische Bewegung hervorgehoben und besonders auch die bischöfli¬
che Förderung der Reform betont.40 Kann an dieser Unterstützung grundsätzlich auch kein
Zweifel bestehen, so war das Engagement der einzelnen Oberhirten jedoch unterschiedlich
stark. Der Metzer Bischof Adalbero etwa fand sich nur sehr zögernd zu jenem Akt bereit,
der nach herkömmlichen Vorstellungen gleichsam die Initialzündung der lothringischen
Klosterreform darstellte:41 zu der Ansiedlung der Gruppe von Asketen um Einold von Toul
und Johannes von Vandieres in Gorze, dem alten Bischofskloster, dessen Konvent damit
weitgehend, wenn auch nicht völlig ausgetauscht worden ist.42 Es bedurfte der Intervention
des Diakons Bernacer, um dem Bischof klarzumachen, daß man diese geistige Elite, die im
Begriffe war, nach Italien aufzubrechen, um dort ihre Sehnsucht nach Askese an einem
geeigneten Ort zu stillen, daß man diese religiös Erweckten nicht einfach vondannen ziehen
lassen dürfe;43 als Adalbero dies jedoch begriffen hatte, da stellte er sich voll und ganz in
die Tradition seines Vorgängers, des Klostergründers Chrodegang,44 und führte die Reform in
Gorze durch, indem er nicht nur den neuen Konvent etablierte, sondern diesem auch Besitz
restituierte und - unter Betonung des bischöflichen Aufsichtsrechtes - das Recht gewährte,
den Abt aus den eigenen Reihen zu wählen.45
Ganz anders dagegen wirkt der Eingriff des Bischofs Gauzlin in die Verhältnisse der ihm
unterstehenden Klöster, denn in der Touler Diözese wird der Oberhirte von sich aus aktiv
und initiiert selber eine umfassende Reformpolitik. Aber obwohl die Bedeutung der Touler
Kirche für die monastische Bewegung schon früh erkannt und bis in die jüngste Zeit auch
39 Vgl. Sackur I, S. 144 f.
40 Vgl. dazu Boshof, Kloster und Bischof (wie Anm. 6), passim, bes. 244 f.
41 Vgl. dazu Hallinger, Gorze-Kluny, S. 51-59; Boshof, Kloster und Bischof (wie Anm. 6), S. 219 ff.;
Parisse, L'abbaye de Gorze (wie Anm. 33), S. 62-66, und John Nightingale, Beyond the narrative
sources: Gorze's Charters 934-1000, in: L'abbaye de Gorze (wie Anm. 5), S. 91-104, bes. 100 f.
42 Vgl. dazu die Darstellung in der Vita loh. abb. Gorz. c. 43-44 = MGH SS 4, S. 349. - Zu Kontinuitäten
innerhalb des Konventes vgl. N ightingale (wie Anm. 41) S. 93 f.
43 Vita loh. abb. Gorz. c. 35 = MGH SS 4, S. 346 f. Vgl. dazu und zu der noch eine Zeit lang kritischen
Situation (vgl. ebd. S. 364 f. [c. 95-98]) im Verhältnis zwischen dem Bischof und den Mönchen Bos¬
hof, Kloster und Bischof (wie Anm. 6), S. 219 ff. und 224 f.
44 Zu diesem vgl. O[ttoj G[erhard] Oexle, Chrodegang, in: Lexikon des Mittelalters 2 (1983) S. 1948 ff.
(und die hier verzeichnete Literatur).
45 Cartulaire de l'abbaye de Gorze, publ. par A[rmand] d'Herbomez (= Mettensia 2), Paris 1898-1901,
S. 169 Nr. 92 (933 Dez. 16).
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