Franz-Reiner Erkens
GORZE UND ST-EVRE
ANMERKUNGEN ZU DEN ANFÄNGEN DER LOTHRINGISCHEN
KLOSTERREFORM DES 10. JAHRHUNDERTS
„lam satis!" mag der Stoßseufzer erklingen, wenn einer anhebt, erneut über die lothringi¬
sche Klosterreform des 10. Jahrhunderts zu referieren. Nach der grundlegenden, nun schon
mehr als hundert Jahre alten Darstellung im ersten Band von Ernst Sackurs zweiteiligem
Werk über 'Die CluniacenserV nach den Epoche machenden Studien von Kassius Hallinger
über 'Gorze-Kluny',1 2 in denen die Grenzlinien zwischen dem burgundischen und lothringi¬
schen Mönchtum sowie die Konturen der monastischen Bewegungen und ihrer Träger mit
übergroßer Schärfe und Klarheit gezogen werden, nach den Korrekturen, die an diesem
Bilde angebracht worden sind,3 und nach zahlreichen Einzeluntersuchungen zum mittel¬
alterlichen Mönchtum allgemein4 und seiner lothringischen Ausprägung5 im besonderen,
nach all diesen Arbeiten, in denen mit gelehrtem Scharfsinn und wissenschaftlicher Sorgfalt
einzelne Aspekte monastischer Spiritualität und mönchischer Askese betrachtet und
beleuchtet worden sind, könnte ein solcher Ausruf nicht überraschen; und es verbietet sich
1 Ernst Sackur, Die Cluniacenser in ihrer kirchlichen und allgemeingeschichtlichen Wirksamkeit bis zur
Mitte des elften Jahrhunderts, Halle a. d. Saale 1892/94 [ND Tübingen und Darmstadt 1971].
2 Kassius Hallinger, Gorze-Kluny. Studien zu den monastischen Lebensformen und Gegensätzen im
Hochmittelalter, 2 Bde. (= Studia Anselmiana 22-25), Rom 1950/51 [ND Graz 1971]. Vgl. dazu Theodor
Schieffer, Cluniazensische oder gorzische Reformbewegung (Bericht über ein neues Buch), in: Cluny
(wie Anm. 4) S. 60-90 [erstmals 1952, in: AmrhKiG 4, S. 24-44].
3 Vgl. dazu etwa Joachim Wol lasch, Neue Methoden der Erforschung des Mönchtums im Mittelalter, in:
HZ 225 (1977) S. 529-571, sowie desselben in der nachfolgenden Anm. genanntes Buch von 1973, aber
auch Kassius Hallinger, Überlieferung und Steigerung im Mönchtum des 8. bis 12. Jahrhunderts, in:
Eulogia. Miscellanea liturgica in onore di P. Burkhard Neunheuser O.S.B. (= Studia Anselmiana 68),
Rom 1979, S. 125-187, und die von diesem betreute Edition der monastischen Brauchtexte: Corpus
Consuetudinum Monasticarum l-XII, Siegburg 1963-1987 [dazu vgl. Pius Engelbert, Bericht über den
Stand des Corpus Consuetudinum Monasticarum (CCM), in: SM OSB 102 (1991) S. 19-24], und Rudolf
Schieffer, Consuetudines monasticae und Reformforschung, in: DA 44 (1988) S. 161-169.
4 Vgl. aus der nicht mehr übersehbaren Zahl von Arbeiten etwa: Joachim Wol lasch, Mönchtum des
Mittelalters zwischen Kirche und Welt (= Münstersche Mittelalter-Schritten 7), München 1973, oder die
Sammelbände: Il monacheSimo nell'alto medioevo e la formazione della civiltà occidentale (= Setti¬
mane di Studio del Centro Italiano di Studi sull'Alto Medioevo IV), Spoleto 1957, und : Cluny. Beiträge
zu Gestalt und Wirkung der cluniazensischen Reform. Hg. v, Helmut Richter (= WdF 241), Darmstadt
1975, sowie an neueren Arbeiten: Theo Kölzer, Mönchtum und Außenwelt - Norm und Realität, in:
Monumenta iuris canonici. Series C: Subsidia Vol. 9 (1992) S. 265-283; Joachim Wollasch, Reform¬
mönchtum und Schriftlichkeit, in: FmaSt 26 (1992) S. 274-286; Josef Semmler, Le monachisme
Occidental du VIIIe au Xe siècle: formation et réformation, in: Revue Bénédictine 103 (1993) S. 68-89. Als
erste Orientierung durch das Gestrüpp der Literatur können auch dienen die Überblickswerke von Gerd
Tellenbach, Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert (= Die Kirche in ihrer
Geschichte 2, F 1), Göttingen 1988, S. 90-106, und von Johannes Fried, Die Formierung Europas. 840-
1046 (= Oldenbourg Grundriß der Geschichte 6), München 1991, S. 96-99, 176 ff. und 256 ff.
5 Vgl. dazu neben der in der folgenden Anm. angeführten Literatur etwa auch den Sammelband: L'abbaye
de Gorze au Xe siècle. Etudes réunies par Michel Parisse et Otto Gerhard Oexle, Nancy 1993.
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