reichs"46;und mit geschichtlichem Weitblick argumentierte er: "Es ist Sorge aller
Deutschen und Europäer, insbesondere aber unsere eigene Saarsorge, zu verhüten,
daß an der Südwestecke des Reiches ein zweites Elsaß-Lothringen entstehe, das
eine neue, tausendjährige Erbfeindschaft zwischen zwei Völkern aufrichtet, deren
gegenseitige Ergänzung das Glück Europas und der Welt bedeuten könnte!"47
Zwei Jahre später auf der Neustadter Saartagung führte Braun unter Berufung auf
die vom Völkerbund "vergewaltigte Idee" des Selbstbestimmungswillens aus, daß
die vergangenen Jahre "eine von Jahr zu Jahr verstärkte und immer weniger über¬
hörbare Abstimmung der deutschen Saar für den angestammten Staats- und Wirt¬
schaftsverband" geworden seien. Mit Blick auf die deutsch-französischen Saarver¬
handlungen von 1929/30 wiederholte er, was die saarländische Bevölkerung fast
einmütig aus Anlaß der Pariser Saarverhandlungen als ihre beiden gleichwertigen
und unabänderlichen Saarrückgliederungsmaxime aufgestellt habe: die restlose
territoriale Rückgliederung und die restlose Rückkehr der Gruben und Kohlenfel¬
der in die Hand des preußischen und bayerischen Staates. Und zum Schluß be¬
schwor Braun fast theatralisch die Geschichte der Sozialdemokratie und die gro¬
ßen Toten der Republik: "Haltet uns zur Rückkehr ein einiges, geschlossenes, sei¬
nen großen zukünftigen Kulturaufgaben sich bewußtes republikanisches, demo¬
kratisches, soziales Deutschland offen! Sorgt dafür, daß dieses Deutschland die
große Linie seiner nachrevolutionären Politik eines Ebert, eines Rathenau, eines
Erzberger, eines Stresemann, eines Müller innehält. Jene Linie, in der wir in der
Saarfrage erfolgreich von Etappe zu Etappe unserer Rückgliederung geschritten
sind und in der wir zugleich Deutschlands gleichberechtigte Wiedereinordnung in
die Mächte Europas und der Welt, trotz aller Kriegsfolgen, erleben durften. Die
großen Toten der Republik hinterließen uns ein heiliges Vermächtnis. Es ist die
beste Gewähr für eine restlose Wiedereingliederung der Saar in das Deutsche
Reich."48
Unterstützung für ihre Ziele, besonders im Kampf um die Selbstbestimmung, fan¬
den die saarländischen Sozialdemokraten auf Völkerbundsebene bei dem Minister¬
präsidenten Schwedens Hjalmar Branting, beim englischen Premierminister James
Ramsey Macdonald und beim belgischen Justiz- bzw. Außenminister Emile Van-
dervelde, aber auch bei den französischen Sozialisten. Bereits 1924, am Tage vor
der zweiten saarländischen Landesratswahl, hatte Léon Blum "Beste Wünsche für
guten Wahlerfolg" telegraphiert und versichert, "daß die Sozialistische Partei
Frankreichs und mit ihr die überwiegende Mehrheit des französischen Volkes fest
4i> Ebd. S. 553. Zur Heimkehr ins Reich auf der Grundlage eines Wahlsieges der Linken in Deutschland
wie in Frankreich: "Volksstimme" Nr. 72 v. 24.3.1928 (Wahlaufruf der SPD/S zur LR-Wahl am
25.3.1928).
47 M. Braun, Unsere Hoffnungen und Ziele, S. 555.
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"Volksstimme" Nr. 159 v. 13.7.1931: "Die I,ösung der Saarfrage",
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