Full text: NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel

reichs"46;und mit geschichtlichem Weitblick argumentierte er: "Es ist Sorge aller 
Deutschen und Europäer, insbesondere aber unsere eigene Saarsorge, zu verhüten, 
daß an der Südwestecke des Reiches ein zweites Elsaß-Lothringen entstehe, das 
eine neue, tausendjährige Erbfeindschaft zwischen zwei Völkern aufrichtet, deren 
gegenseitige Ergänzung das Glück Europas und der Welt bedeuten könnte!"47 
Zwei Jahre später auf der Neustadter Saartagung führte Braun unter Berufung auf 
die vom Völkerbund "vergewaltigte Idee" des Selbstbestimmungswillens aus, daß 
die vergangenen Jahre "eine von Jahr zu Jahr verstärkte und immer weniger über¬ 
hörbare Abstimmung der deutschen Saar für den angestammten Staats- und Wirt¬ 
schaftsverband" geworden seien. Mit Blick auf die deutsch-französischen Saarver¬ 
handlungen von 1929/30 wiederholte er, was die saarländische Bevölkerung fast 
einmütig aus Anlaß der Pariser Saarverhandlungen als ihre beiden gleichwertigen 
und unabänderlichen Saarrückgliederungsmaxime aufgestellt habe: die restlose 
territoriale Rückgliederung und die restlose Rückkehr der Gruben und Kohlenfel¬ 
der in die Hand des preußischen und bayerischen Staates. Und zum Schluß be¬ 
schwor Braun fast theatralisch die Geschichte der Sozialdemokratie und die gro¬ 
ßen Toten der Republik: "Haltet uns zur Rückkehr ein einiges, geschlossenes, sei¬ 
nen großen zukünftigen Kulturaufgaben sich bewußtes republikanisches, demo¬ 
kratisches, soziales Deutschland offen! Sorgt dafür, daß dieses Deutschland die 
große Linie seiner nachrevolutionären Politik eines Ebert, eines Rathenau, eines 
Erzberger, eines Stresemann, eines Müller innehält. Jene Linie, in der wir in der 
Saarfrage erfolgreich von Etappe zu Etappe unserer Rückgliederung geschritten 
sind und in der wir zugleich Deutschlands gleichberechtigte Wiedereinordnung in 
die Mächte Europas und der Welt, trotz aller Kriegsfolgen, erleben durften. Die 
großen Toten der Republik hinterließen uns ein heiliges Vermächtnis. Es ist die 
beste Gewähr für eine restlose Wiedereingliederung der Saar in das Deutsche 
Reich."48 
Unterstützung für ihre Ziele, besonders im Kampf um die Selbstbestimmung, fan¬ 
den die saarländischen Sozialdemokraten auf Völkerbundsebene bei dem Minister¬ 
präsidenten Schwedens Hjalmar Branting, beim englischen Premierminister James 
Ramsey Macdonald und beim belgischen Justiz- bzw. Außenminister Emile Van- 
dervelde, aber auch bei den französischen Sozialisten. Bereits 1924, am Tage vor 
der zweiten saarländischen Landesratswahl, hatte Léon Blum "Beste Wünsche für 
guten Wahlerfolg" telegraphiert und versichert, "daß die Sozialistische Partei 
Frankreichs und mit ihr die überwiegende Mehrheit des französischen Volkes fest 
4i> Ebd. S. 553. Zur Heimkehr ins Reich auf der Grundlage eines Wahlsieges der Linken in Deutschland 
wie in Frankreich: "Volksstimme" Nr. 72 v. 24.3.1928 (Wahlaufruf der SPD/S zur LR-Wahl am 
25.3.1928). 
47 M. Braun, Unsere Hoffnungen und Ziele, S. 555. 
48 
"Volksstimme" Nr. 159 v. 13.7.1931: "Die I,ösung der Saarfrage", 
81
	        
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