LA Saarbrücken, Best. LRA St. Ingbert, Nr. 798 (Rückgliederung)
Abschrift
Der Reichsminister der Justiz Berlin W 8, den 3. Mai 1937
IH a ** 1201 Wilhelmstr. 65
An Vertraulich!
a) den Herrn Präsidenten des Volksgerichtshofs und den Herrn Reichsanwalt beim Volksgerichtshof,
b) b u. c) pp.
c) den Herrn Vertreter des Generalstaatsanwalts in Saarlautem,
d) den Herrn Präsidenten des Landgerichts und den Herrn Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht in Saarbrücken,
e) Nachrichtlich an
f) das Auswärtige Amt,
g) den Herrn Reichs- und Preußischen Minister des Innern.
Betrifft: Beachtung der aus Anlaß der Rückgliederung des Saargebiets gemachten Zusagen der Reichsregierung
(sog, römische Abmachungen).
In einzelnen Strafsachen gegen Bewohner des Saarlandes sind Feststellungen der Polizei über das Verhalten der
Angeklagten in der Frage der Abstimmung aktenmäßig niedergelegt und zu Ungunsten des Betreffenden verwertet
worden. Das hat gelegentlich dazu geführt, daß die Staatsanwaltschaft und die Gerichte in Zweifel darüber geraten
sind, ob die römischen Abmachungen auch jetzt noch hindern, daß in einem StrafTall das Verhalten des Be¬
schuldigten in der Abstimmungsfrage zu seinen Ungunsten herangezogen werden darf.
Diesen Zweifeln gegenüber weise ich darauf hin, daß die aus Anlaß der Rückgliederung des Saargebietes
gemachten Zusagen der Reichsregierung vom 1./2. Juni (I b und c) und vom 2./3. Dezember 1934 (I) -
Reichsgesetzbl. 1934 II S. 737; 1935 HS. 123 - zeitlich unbegrenzt gelten und daß daher bei einem Beschuldigten,
für den die angeführten Zusagen Geltung haben, sein früheres Verhalten zur Frage der Abstimmung nach wie voi
nicht nachhaltig für ihn verwertet werden darf. Andererseits ist darauf zu achten, daß die Zusagen der Deutschen
Regierung in den römischen Abmachungen nur Verfolgungen, Vergeltungsmaßnahmen und Schlechterstellungen
entgegenstehen, die auf eine politische Haltung "mit Beziehung auf den Gegenstand der Volksbefragung" gestützt
werden könnten. Eine ausdehnende Auslegung dieser Bestimmung ist nicht angängig. Die nach anderer Richtung
bekundete und bestätigte politische Einstellung eines Beschuldigten kann daher und muß gegebenenfalls
pflichtmäßig für die Beurteilung seiner Persönlichkeit verwertet werden.
Ich ersuche darauf hinzuwirken, daß diese Gesichtspunkte in den Strafverfahren beachtet werden, also namentlich
in den Anklageschriften und Urteilsbegründungen keine Ausführungen enthalten sind, die als eine
Schlechterstellung des Angeklagten wegen seiner mit der Abstimmung zusammenhängenden Betätigung gedeutet
werden könnten.
In Vertretung
gez. Dr. Freisler
(Vom Reichskommissar für das Saarland am 21. Mai 1937 weitergeleitet an den Polizeipräsidenten, der
Oberbürgermeister und das Regierungsforstamt in Saarbrücken sowie an die Landräte des Saarlandes, ar
verschiedene Sachgebiete und Abteilungen.)
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