de, wobei er sich darauf beruft, daß die Deutsche Front bereits eine Stunde nach
Auszählungsbeginn das Ergebnis gewußt habe20.
Die vielerorts erstellten sehr minuziösen Aufschlüsselungen zur Stimmenberech¬
nung mochten zwar Enttäuschte überzeugen, doch führten solche "Beweisführ¬
ungen" nie zu Eingaben an offizieller Stelle, um die Rechtmäßigkeit der Abstim¬
mung überprüfen zu lassen. Alle diese Zweifel, Ungereimtheiten oder Schiebungen
versuchte nach dem Kriege Gauthier Guébelein21, in seiner Schrift, "La France et
le problème sarrois" (und Kapitel II stellte er direkt unter die Überschrift, "La
Falsification"), zu verifizieren, indem er sich auf zahlreiche "Augenzeugen"22 be¬
rief. Gebelein behauptete auch, daß entsprechende Berichte über Wahlfälschungen
dem Quai d’Orsay, der Reko, der Abstimmungskommission und dem Sekretariat
des Völkerbundes zugegangen seien.
Litt die "Beweisführung" Gebeleins schon allein unter der Tatsache ihrer verspäte¬
ten Darlegung vor der Weltöffentlichkeit, so galt dies um so mehr, als sie zu einem
Zeitpunkt erschien, wo französische Interessen an der Saar erneut verteidigt wer¬
den sollten; demnach argumentierte er im Rückblick: "Jusqu’en 1935 la France
avait en Sarre des intérêts directs. Elle était propriétaire des mines; l'économie, la
douane, le système monétaire en Sarre étaient français, les Sarrois à l'étranger étai¬
ent protégés officiellement par les consulats français. La France a donc été lésée au
premier chef dans ses droits, et dans ses intérêts par le truquage de la solution
donnée à la question sarroise en 1935, Ainsi la France a sur la Sarre des prétenti¬
ons et des droits incontestables, parce qu'elle les avait jadis."23
Standen seine Zeugenaussagen24 selbst schon auf schwachen Füßen, so scheute er
auch nicht davor zurück, den Völkerbund selbst aufgrund der nach seiner Meinung
allzu schnellen Vernichtung der Stimmzettel als "Mittäter"25 hinzustellen. Wenn
auch Wahlmanipulationen auf unterster Ebene kaum ausgeschlossen werden kön¬
nen, waren dazu doch die Einflußnahmen des nationalsozialistischen Machtappa¬
rates auf die Vorbereitungen und den Ablauf der Abstimmung zu groß, so scheinen
20 H. Hirsch, The Saar Plebiscite of 1935, S. 17.
21
Walter Gebelein, gebürtiger Saarländer, nach seiner Emigration 1935 die franz. Staatsbürgerschaft er¬
worben und den Namen dementsprechend geändert. S. Biographisches Handbuch der deutschsprachigen
Emigration, S. 214, Biographische Angaben bei D.M. Schneider, Saarpolitik und Exil 1945-1957.
22 -
Eichhacker, NSDAP-Mitglied; Attema, holländischer Funktionär bei der Abstimmungskommission;
John, Beamter der Kriminalpolizei; Brandstetter, angeblich ein um seinen Lohn gebrachter Wahlfäl¬
scher. G. Gebelein, La France, S. 32-36.
23 Ebd. S. 44f.
24 Ebd. S. 43: "Tous les témoins cités par nous doivent pouvoir être retrouvés, sans difficultés, s'ils sont
encore en vie."
25
Ebd. S. 43: "Pourquoi cette destruction rapide? Toute autorité, tout gouvernement conserve dans ses ar¬
chives les pièces justificatives de ses actes. Les historients peuvent les y trouver des dizaines d'années
plus tard, lorqu'ils en ont besoin. Tout commerçant est tenu par la loi de conserver ses pièces comptables
un certain temps. La S.D.N. anéantit elle-même les documents essentiels d'une bataille, qu'elle avait
arbitrée et qui avait pour enjeu le destin d'un pays et dün peuple."
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