Full text: NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel

Freiheit" am 6. Dezember 1934 sogar von einer eventuellen Mehrheit für den Sta¬ 
tus quo gesprochen, da, "wie Landesleiter Pirro kürzlich in einen Interview mit ei¬ 
nem holländischen Journalisten zugab. gut 40% der Saarbevölkerung noch nicht 
über ihre Stimmabgabe entschieden" hätten und "sich sehr wahrscheinlich gegen 
die sofortige Rückgliederung aussprechen"6 würden. Bürckel selbst äußerte wenige 
Tage vor der Abstimmung gegenüber einem Journalisten, daß, wenn Deutschland 
am kommenden Sonntag 51% der Stimmen erhalte, keine Teilung des Saargebie¬ 
tes zugelassen werde; erhalte Deutschland 49%, werde es nichts verlangen7. Hinter 
diesen Angaben dürften jedoch weniger echte Befürchtungen als ein letztes 
Druckmittel zur Stimmabgabe für Deutschland zu suchen sein. 
Bei einer Wahlbeteiligung von 97,88% war die "Frankreich-Alternative" mit 0,4% 
mehr als deutlich abgelehnt worden; die Status quo-Alternative hatte mit 8,8% der 
Stimmen nur einen Bruchteil (etwa 1 Drittel bis 1 Viertel) des von ihren Vertre¬ 
tern erwarteten Ergebnisses erzielt, während mit einem Prozentsatz von 90,4% für 
die Vereinigung mit Deutschland ein Stimmenanteil erreicht wurde, den selbst 
überzeugte Nationalsozialisten nicht erwartet hatten. Bei einer Saarkundgebung in 
Zweibrücken im Frühjahr 1934 hatte der Leiter der Deutschen Front, Pirro, zwar 
verkündet, daß die Front zur Zeit 93% der Abstimmungsberechtigten umfasse, 
doch waren solche frühen Äußerungen eher als propagandistisches Wunschdenken 
zu werten. 
Eine Umlegung der Sitzverleilung im Landesrat von 1932 auf die Verhältnisse der 
Volksabstimmung hätte für die linke Gruppierung ein Verhältnis von 11:19 Sitzen 
zuungunsten des antifaschistischen Lagers erwarten lassen; das war in Prozent¬ 
zahlen ausgedrückt eine Aufteilung von 36,7 Proz. : 66,3 Proz. 
6 "Deutsche Freiheit" Nr. 272 v. 6.12.1934. 
7 Meldung aus Prag Nr. 1.855 v. 11.1.1935. AA...Best. Pol.Abt. II, Bes. Geb.Sg., betr. Tätigkeit des Vi¬ 
zekanzlers von Papen. Zu einem angeblichen Bericht von Präs, Knox an den Völkerbund über einen 
Putsch des Deutschen Reiches bei einer evtl. Status quo-Mehrheit s. das Sehr. Binders (Waldmohr) an 
den Bayer. Min.Präs. und an Barth v. 10.12.1934. LA Speyer, Best. Bez.Amt Kusel, Nr. 1.416 II, Bl. 
741. 
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