würde doch auf diese Weise die innerdeutsche Wirtschaft bei einem Ausscheiden
des kohlenerzeugenden Grenzgebietes im Kriegsfall nicht erschüttert8.
Die Handelskammer Saarbrücken begrüßte weder eine regionale Kontingentierung
noch diese geradezu strategische Überlegung und argumentierte, daß bei einer
Verlautbarung in der Öffentlichkeit die nationale Haltung der Bevölkerung aufs
schwerste gefährdet werde. Ebenso wurde auch die krisenträchtige Situation er¬
kannt, würde das Saargebiet doch in der Zukunft bei den gegenwärtigen politi¬
schen Spannungen geradezu mit Handelskriegen am laufenden Bande rechnen
müssen. So bestand denn die Handelskammer auf einer Zurückeroberung des in¬
nerdeutschen Marktes bzw. auf einer gleichmäßigen Verteilung der deutschen
Kohleexporte auf alle deutschen Grubengebiete; lediglich als eine Übergangslö¬
sung aus Gründen der Umstellung von der Ruhrkohle auf Saarkohle glaubte die
Handelskammer hier Zugeständnisse machen zu müssen. Und dabei verwies sie
auf den Grundatz der Vorkriegspreispolitik, als nämlich die Saarkohle auf dem
süddeutschen Markt (bis zur Mainspitze) zu einem billigeren Preis als die Ruhr¬
kohle angeboten wurde. Schwierigkeiten in der Preisbildung entstanden jedoch in
der Verbilligung der Ruhrkohle durch den billigeren Wasserweg, so daß das Reich
über die Eisenbahn eine entsprechende Tarifermäßigung gewähren mußte ("Als-
ob-Tarife"), die das Saargebiet im Grunde genommen als Notstandsgebiet auswie¬
sen. Es verstand sich von selbst, daß diese Sichtweise weder vorher noch nachher
eine überzeugende Argumentation im Sinne der Rückgewinnung eines
"widerrechtlich abgetrennten deutschen Gebietes" und der Eingliederung der Saar
ins Reich als gleichwertigen Partner darstellte. Hinzu kam noch der Umstand, daß
französische Gruben unter der Reichsgrenze hindurch zur Saar hin Kohle
abbauten (bereits vor 1935 und gemäß Deutsch - Französischem Abkommen über
die Übertragung des Eigentums des französischen Staates an den Gruben,
Eisenbahnen und anderem unbeweglichem Vermögen im Saarland vom 18. Mai
1935 offiziell für einen Zeitraum von fünf Jahren in den Steinkohle-
berechtigungsfeldem Karlsbrunn und Großrosseln), was die Preisentwicklung der
Steinkohle nicht gerade zugunsten der Saar beeinflußte. Eine gewisse Regelung
des Kohleabsatzes brachte zwar der Beitritt zum Rheinisch-westfälischen Kohlen-
Syndikat ab 1. April 1935, doch dauerte es noch weitere drei Jahre bis
Reichswirtschaftsminister Funk eine endgültige Quotierung festlegte, allerdings
nun zu einem Zeitpunkt, wo durch den Rüstungsboom sich die Verhältnisse einer
gesunden Wirtschaftspolitik verzerrt hatten, und als das Reichskuratorium für
Wirtschaftlichkeit (1938) in einer vertraulichen Strukturuntersuchung der
Saarkohle die geringe Verkokungsqualität im Vergleich zur Ruhrkohle und den
frachtungünstigen Standort durch den fehlenden Wasseranschluß ankreidete.
Die einzig wahre Lösung auf Dauer für diese Probleme sahen die Großindustriel¬
len an der Saar daher in der Schaffung eines Wasserweges für den Kohleabsatz im
8 LA Speyer, Best. Bez.Amt Kusel, Nr. 1.424, Bl. 98.
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