Full text: NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel

würde doch auf diese Weise die innerdeutsche Wirtschaft bei einem Ausscheiden 
des kohlenerzeugenden Grenzgebietes im Kriegsfall nicht erschüttert8. 
Die Handelskammer Saarbrücken begrüßte weder eine regionale Kontingentierung 
noch diese geradezu strategische Überlegung und argumentierte, daß bei einer 
Verlautbarung in der Öffentlichkeit die nationale Haltung der Bevölkerung aufs 
schwerste gefährdet werde. Ebenso wurde auch die krisenträchtige Situation er¬ 
kannt, würde das Saargebiet doch in der Zukunft bei den gegenwärtigen politi¬ 
schen Spannungen geradezu mit Handelskriegen am laufenden Bande rechnen 
müssen. So bestand denn die Handelskammer auf einer Zurückeroberung des in¬ 
nerdeutschen Marktes bzw. auf einer gleichmäßigen Verteilung der deutschen 
Kohleexporte auf alle deutschen Grubengebiete; lediglich als eine Übergangslö¬ 
sung aus Gründen der Umstellung von der Ruhrkohle auf Saarkohle glaubte die 
Handelskammer hier Zugeständnisse machen zu müssen. Und dabei verwies sie 
auf den Grundatz der Vorkriegspreispolitik, als nämlich die Saarkohle auf dem 
süddeutschen Markt (bis zur Mainspitze) zu einem billigeren Preis als die Ruhr¬ 
kohle angeboten wurde. Schwierigkeiten in der Preisbildung entstanden jedoch in 
der Verbilligung der Ruhrkohle durch den billigeren Wasserweg, so daß das Reich 
über die Eisenbahn eine entsprechende Tarifermäßigung gewähren mußte ("Als- 
ob-Tarife"), die das Saargebiet im Grunde genommen als Notstandsgebiet auswie¬ 
sen. Es verstand sich von selbst, daß diese Sichtweise weder vorher noch nachher 
eine überzeugende Argumentation im Sinne der Rückgewinnung eines 
"widerrechtlich abgetrennten deutschen Gebietes" und der Eingliederung der Saar 
ins Reich als gleichwertigen Partner darstellte. Hinzu kam noch der Umstand, daß 
französische Gruben unter der Reichsgrenze hindurch zur Saar hin Kohle 
abbauten (bereits vor 1935 und gemäß Deutsch - Französischem Abkommen über 
die Übertragung des Eigentums des französischen Staates an den Gruben, 
Eisenbahnen und anderem unbeweglichem Vermögen im Saarland vom 18. Mai 
1935 offiziell für einen Zeitraum von fünf Jahren in den Steinkohle- 
berechtigungsfeldem Karlsbrunn und Großrosseln), was die Preisentwicklung der 
Steinkohle nicht gerade zugunsten der Saar beeinflußte. Eine gewisse Regelung 
des Kohleabsatzes brachte zwar der Beitritt zum Rheinisch-westfälischen Kohlen- 
Syndikat ab 1. April 1935, doch dauerte es noch weitere drei Jahre bis 
Reichswirtschaftsminister Funk eine endgültige Quotierung festlegte, allerdings 
nun zu einem Zeitpunkt, wo durch den Rüstungsboom sich die Verhältnisse einer 
gesunden Wirtschaftspolitik verzerrt hatten, und als das Reichskuratorium für 
Wirtschaftlichkeit (1938) in einer vertraulichen Strukturuntersuchung der 
Saarkohle die geringe Verkokungsqualität im Vergleich zur Ruhrkohle und den 
frachtungünstigen Standort durch den fehlenden Wasseranschluß ankreidete. 
Die einzig wahre Lösung auf Dauer für diese Probleme sahen die Großindustriel¬ 
len an der Saar daher in der Schaffung eines Wasserweges für den Kohleabsatz im 
8 LA Speyer, Best. Bez.Amt Kusel, Nr. 1.424, Bl. 98. 
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