Regierungsgebäudes in Saarbrücken davon ausgegangen wurde, Saarbrücken den
Sitz einer Regierung zu belassen63, somit also der Sitz für die staatliche
Verwaltung zumindest gesichert schien. In Neustadt, dem Sitz der Gauleitung64,
machte man sich spätestens seit Januar 1935 ernsthaft Sorgen, ob im Zuge der
künftigen Neuordnung des Reiches, der Neuordnung des Gaues und wohl auch der
zurückgewonnenen Saar die bisherige Lösung fortbestehen würde. Demnach
bemühte sich der neue Bürgermeister Dr. Lederle (nachdem die Stadt "durch den
früheren Bürgermeister Forthuber an den Rand des Abgrundes gebracht"65 worden
sei) bereits jetzt um den Zuschlag für den Sitz dieser künftigen Gauverwaltung
bzw. Gauleitung. Die jetzige Gauleitung teilte am 24. Januar 1935 Lederle mit,
daß eine Entscheidung darüber, in welcher Stadt Reichsstatthalterei und Sitz der
Gauleitung eines zukünftigen Reichsgaues Kurpfalz sein werden, noch nicht
gefallen sei; doch beabsichtige die Gauleitung nicht, den bisherigen Sitz zu wech¬
seln, - sicherlich auch unter dem Eindruck des Angebots der Stadtverwaltung be¬
züglich der großzügigen Büro- und Wohngebäudeplanung bis zur Gesamthöhe von
zwei Millionen Reichsmark66.
Sehr ausführlich begründete Lederle am 26. Januar 1935 die Vorzüge Neustadls
als Sitz eines "Reichsgaues Kurpfalz". Geschichtlicher Konkurrent war schließlich
Mannheim als die Residenz der früheren Kurpfalz. Den Sitz nach Mannheim zu
verlegen hieße aber, hinter den Rhein zurückzuweichen und das Herz des künftig
einzurichtenden Reichsgaues von der Grenze in das Innere Deutschlands zu verle¬
gen. Es bedeute ferner, so argumentierte Lederle, die Idee des pfälzischen Natio¬
nalsozialismus der Gefahr der Überwucherung durch eine mehr oder weniger
fremde Stadt preiszugeben, betrachte sich doch Neustadt traditionsgemäß als das
München der nationalsozialistischen Bewegung der Pfalz und somit auch einer
zukünftigen "Kurpfalz"; und letztlich würde sich weder die Pfalz noch das Saar¬
gebiet oder Hessen damit zufrieden geben. Schließlich befänden sich in Neustadt
auch die Gauleitung der Deutschen Arbeitsfront, der Treuhänder der Arbeit, der
Kampfbund für deutsche Kultur (Volksbildungsverband Pfalz/Saar) und weitere
Gliederungen der Partei. Wie ernst es Lederle war, ist daraus ersichtlich, daß er
seine Gründe zu einer Denkschrift zusammenfaßte, um sie am 9. Februar 1935 als
Argumentationshilfe zur Reichsreform an das Reichsinnenministerium zu
schicken; auch Dürkheim käme noch in Frage, doch werde damit seine Entwick¬
63 Niederschrift im BA Koblenz, Best. Reichsinnenministerium, R 18/5.411, S. 105-108.
64 Parteigeschäftsstelle war in der "Kampfzeit" die Privatwohnung des Gauleiters; sie wechselte von Kai¬
serslautern nach Rodalben, Mußbach und dann nach Neustadt, wo sie bis 1945 verblieb. Einen aus¬
führlichen "Gliederungsplan der Gauleitung der NSDAP Rheinpfalz", hrsgg. vom Gauorganisationsamt
Rheinpfalz, in: NSZ-Rheinfront Nr. 51 v. 1.3.1935. Abgedr. als "Gliederungsplan der Gauleitung der
NSDAP Pfalz-Saar" bei K1.-M. Mallmann, G. Paul, Herrschaft und Alltag, S. 94f.
65 Sehr, des Bürgermeisters v. 19.1.1935 an die Gauleitung. StadtA Neustadt, Nr. 4.017 I, 177.
66 Sehr. v. 24.1.1935. Ebd.
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