dustrieproletarischer Bevölkerungsschichten zurückführte. Als Zuschauer gleich¬
sam sei ihr Deutschtum vor Verflachung geschützt worden, ja habe sich noch ver¬
tieft. Und "erst als aus dem Fanatismus der Wenigen endlich der Glaube der Mil¬
lionen aufstieg, als aus der Sekte die Kirche wurde, aus dem Trupp die Bewegung,
als der Anteil des Nationalsozialismus am Volke und die Anteilnahme des Volkes
am Nationalsozialismus nicht mehr dem Tage gehörten, sondern der Geschichte,
da schlug die große Welle des deutschen Erlebens auch mit Macht in das Saarge¬
biet". Zeitlich legte Savelkouls diesen Aufschwung auf den "Ansturm" und den
"Nachklang der großen Wahlen des Septembers 1930". Ein Handicap sei es
schließlich gewesen, daß die Saarländer den Nationalsozialismus vom Hörensagen
kennengelemt hätten und dies, "infolge der überkommenen Partei- und Pressever¬
hältnisse und infolge der Grenzen, ausschließlich vom Gegner". Nicht zu unter¬
schätzen gewesen sei allerdings "die unschätzbar große, soziale Bedeutung der
Uniform gerade in einer Zeit des wirtschaftlichen Zusammenbruches und die neue
soldatische Kameradschaft der SA". Ein großes Hindernis für die Partei habe in
der "einfache(n), innige(n) Verbundenheit des größten Teiles der saarländischen
Katholiken ... mit der Geistlichkeit" gelegen, ein Umstand, dessen Wurzeln im
Kulturkampf lägen. Damit habe die saarländische katholische Geistlichkeit, die die
gleiche ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus eingenommen
habe wie der reichsdeutsche Klerus, ihren Gläubigen den Weg zu Hitler immens
erschwert. Gleichzeitig aber seien es gerade diese hindernden Gründe gewesen, die
schließlich die Saarländer die nationalsozialistische Weltanschauung als "das ent¬
hüllende Erlebnis vom wahren Nationalsozialismus mit stärkster Kraft" empfinden
ließen.
Das auslösende Moment allerdings, die Gründe für diesen plötzlichen Sinneswan-
del, blieb Savelkouls letztlich schuldig. Von 0,3 Prozent der Stimmen für den
Kreistag 1929 bis auf 6,5 - 7,5 Prozent der Wahlen von 1932 (an 1. Stelle - Be¬
zirksamt Homburg, an 2. Stelle - Saarbrücken; Hochburgen in besonders evangeli¬
schen und landwirtschaftlich genutzten Gebieten) hatten sich demnach keine über¬
zeugenden Entscheidungen der Saarländer kundgetan, so daß also gegenüber der
Pfalz weniger als ein Drittel der Stimmanteile und etwa ein Drittel im Vergleich
zum Reich 1930 zu verzeichnen waren. Es mußte schon die besondere nationalpo¬
litische Situation einer 15jährigen Saarabtrennung hinzukommen, um im Tarn¬
mantel der Deutschen Front, die in der Schlußphase auf 550.000 Mitglieder auf¬
gewachsen war, die schwache NSDAP der Saar hinüberzuführen in die starke
Reichsorganisation der Partei, die ab März 1935 zwar das Votum für das Reich für
ihre Zwecke nutzte, den neugewonnenen Teilhaber aber nicht immer als vollwerti¬
gen Partner akzeptierte; entgegen aller vorhergehenden Versprechungen, zumin¬
dest aber eigener Erwartungen, kamen nämlich die "alten Kämpfer" nicht zum
"verdienten" Zuge. Peter Baltes nennt 45 Vorkämpfer an der Saar mit einer Mit¬
gliedsnummer unter 100.000, denen allerdings aufgrund der Auflösung der
NSDAP bei der Bildung der Deutschen Front das von Hitler gestiftete Ehrenabzei¬
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