Full text: NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel

schaftsbereiche ein, nachdem am 15. Juli 1940 die deutsche Zollgrenze auf die 
Reichsgrenze von 1871 vorverlegt worden war. In seinem Auftrag nahm der Eisen- 
und Stahlindustrielle Hermann Röchling aus Völklingen ab dem 26. Juni 1940 
sämtliche Eisenhütten in Lothringen und Meurthe-et-Moselle in seine Obhut. 
Die zusätzliche Unterstellung unter Göring bedeutete weniger eine Abwertung des 
Aufgabengebiets als vielmehr eine Art Vertrauensbeweis, konnte sich Hitler doch 
auf "seine" bewährten Chefs der Zivilverwaltung durchaus verlassen; und Bürckel 
hatte in Sachen Volkstumspolitik bereits Erfahrungen in Österreich gesammelt. 
Die Abschiebung von 100.000 Lothringern nach Frankreich dürfte seine Füh¬ 
rungsqualitäten in den Augen Hitlers wohl aufgewertet haben, ganz deutlich aber 
zeigt die Aktion die keinen Beschränkungen unterworfene neue Machtfülle des 
Chefs der Zivilverwaltung. 
Die faktische Eindeutschung Lothringens führte Bürckel im Sinne einer Rückglie¬ 
derung bzw. Gleichschaltung mit dem Reich durch. Er hielt im Gegensatz zu 
Wagner im Elsaß allerdings nicht an einer Zweiteilung seiner beiden Gauhälften 
fest, sondern verlegte den Verwaltungsschwerpunkt nach Saarbrücken, wobei 
"Metz" unter der Leitung eines Landrats bestehen blieb, allerdings mit etlichen 
Außendienststellen (s.u.). Die Dienststelle des Chefs der Zivilverwaltung befand 
sich beim Reichskommissar in Saarbrücken und wurde von Regierungspräsident 
Barth geleitet. Damit fiel die organisatorische Zusammenlegung der Speyerer und 
Kaiserslautemer Dienststellen in Saarbrücken zusammen mit der Aufbauarbeit der 
neuen Dienststelle für die Verwaltung in Lothringen, wozu sich zwar genügend 
Verwaltungsbeamte bereitfanden, jedoch z.B. keine Lehrer für das neue 
"Reichsland". Bereits Anfang November 1940 lief eine Aktion zur Bildung von 
Schulpartnerschaften zwischen den Schulen Lothringens und der Saarpfalz an; das 
Ziel bestand darin, "als Äußerung der Opfer- und Hilfsbereitschaft ein Band zu 
knüpfen zwischen der saarpfälzischen und lothringischen Jugend", um damit zum 
Wiederaufbau der deutschen Kultur in Lothringen beizutragen. Ferner waren auf 
Weisung Bürckels bis 1. Februar 1942 etwa 200 (gern. Planung vom 5. September 
1940 sogar 300) saarländische Lehrkräfte gegen lothringische auszutauschen12. 
Sicherlich in der Absicht, die Schulräte für die Abordnungsaktion zu gewinnen 
und vor allem für ihre "Überredungskünste", ordnete am 23.April 1941 die Schul¬ 
abteilung an, die lothringischen Junglehrer, die im Saarland hospitierten, mit der 
selbständigen Verwaltung von Schulklassen zu beauftragen. Die Meldungen der 
Schulräte an die Schulabteilung belegen, daß dies zu "übereilten" und "fälsch¬ 
lichen" Übermittlungen geführt hatte, so daß Rückzieher nicht ausblieben. 
12 
Schulpartnerschaft im Sehr. v. 7.11.1940. LA Saarbrücken, Kreisschulamt St. Wendel, Nr. 1. Zum 
Lehreraustausch s. ebd. das Sehr. v. 18.1.1941 mit Zahlenangaben zu den Abordnungen in den einzel¬ 
nen Schulaufsichtsbezirken (1940/1941). S. ebd. Nr. 2. Vgl. V. Rödel, Die Behörde, S. 304, Anm. 99. 
Gesuch Bürckels v. Februar 1941 an Reichsleiter Bormann zur Unterstützung bei der Anwerbung von 
Lehrern aus anderen, bevorzugt dem fränkischen Stammesgebiet zugehörenden Gauen; jedoch nur 
notfalls Württemberger oder Thüringer. Berlin Doc. Center, Bürckel. 
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