mein Vorgänger, Wenn der arme Barthou noch gelebt hätte, so hätten wir uns in
der Saarfrage sehr in die Nesseln gesetzt."35
Unter dieser politischen Vorgeschichte stand das am 3. Dezember 1934 in Rom
zustande gekommene Abkommen, in dem die Vertreter der Deutschen und Fran¬
zösischen Regierung bestimmte Regularien vereinbarten, - und dies ausdrücklich
"für den dritten im Vertrag von Versailles (§35 Abs. c der Anlage über das Saar¬
gebiet) vorgesehenen Fall"36. In diese Verhandlungen über die wirtschaftlichen
Modalitäten im Gefolge einer Saar-Rückgliederung war Frankreich mit der Über¬
zeugung gegangen, daß eine Übernahme durch das Reich wohl sehr wahrschein¬
lich sei, denn bei dem Problem des Grubenrückkaufs, vor allem der Bezahlung,
hatte es nur auf einer Pauschalsumme bestanden und keine Details ausgehandelt.
Gerade dieser Umstand wurde in der Kabinettsitzung vom 4. Dezember 1934 in
der Reichskanzlei von Reichsaußenminister von Neurath sehr begrüßt, schien doch
damit eine u.U. mögliche Teilung des Saargebietes je nach Abstimmungsergebnis
vom "Tisch" zu sein, und Hitler selbst bezeichnete am Schluß der Sitzung die
Vereinbarung vom 3. Dezember 1934 als Beleg für Deutschlands Aufstieg zur
Großmacht, wertete die Haltung Frankreichs als Annäherung an das Reich und die
Festschreibung der Saar-Frage in der Übereinkunft als ersten Akt internationaler
Anerkennung. "The settlement of the Saar question, as embodied in the agreement,
was to be taken as the first international vindication of Germany's international re¬
construction."37
In der Tagung vom 5. und 6. Dezember 1934 nahmen der Rat des Völkerbundes
die vom Dreierausschuß dargelegten Empfehlungen an38, wobei auch gleichzeitig
die Vorschläge des französischen Aide-mémoire vom 31. August 1934 geprüft
wurden. Trotz Fürsprache des sowjetischen Außenministers Litwinow39 und seines
französischen Kollegen Laval40 bezüglich des Selbstbestimmungsrechts und der
Selbstverwaltung bei Annahme des Status quo sowie eines zweiten Plebiszits wur¬
de der Bericht in der vorgelegten Form angenommen, d.h. ohne klare und ver¬
bindliche Zusage einer Erweiterung der ersten im Versailler Vertrag festgelegten
Abstimmungsmöglichkeit41. Demgemäß blieb bis zum Abstimmungstage "die
zweite Abstimmung" ein Streitpunkt in den Erklärungen der Nationalsozialisten
35 Zitat der Aufzeichnungen des poln. Unterstaatssekretärs, Graf Szembek, in seinem Tagebuch: J. Szem-
bek,, Journal 1933-1939, S. 73f. Vgl. Armatte, La politique Sarroise de M. Barthou, S. If.
36 SDN JO 15, 1934, S. 1.702-1.705. Der deutsche und franz. Vertragstext im RGBl. 1935 II S. 126-130.
37 DGFP, Ser. C, Vol. III, Nr. 373, S. 706; s. auch 372.
38 Bericht des Dreierausschusses: SDN JO 15, 1934, S. 1.694-1.705 (1. Sitzung 5.12.1934).
39 Rede Litvinovs vom 6.12.1934 im Rat ebd. S. 709f. Ebenso in DVP SSSR, Bd. XVII, S. 737.
40 Rede Lavals vom 6.12.1934 im Rat. SDN JO 15, 1934, S. 1.709.
41 S. Wambaugh, The Saar Plebiscite, S. 265f. Zur Politik Großbritanniens, Frankreichs und Rußlands
mit Deutschland s. J. Hiden, Germany and Europe 1919-1939, S. 50-110.
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