Fünftes Kapitel
Verwaltungs- und Organisationsänderungen uv bürckels
Machtbereich im Vorfeld einer künftigen Reichsreform
1. Die Bestrebungen Bürckels zur Ausweitung seines Machtbereichs
auf die Pfalz
Mit der Überleitung des Versailler Saar-Gebildes ins Reich und seiner
"vorläufigen" rechtlichen Verankerung war gleichzeitig die Diskussion um eine
künftige, dauerhafte Lösung in Gang gesetzt worden, wobei die verschiedensten
Verwaltungsebenen die Initiative ergriffen und ihre Vorstellungen durchzusetzen
versuchten. H.-W. Herrmann sieht in den Initiativen, Querelen und Verhandlun¬
gen im Herbst 1935 und Frühjahr 1936 zwei Grundströmungen: einmal Bürckels
Versuche zur administrativen Zusammenfassung von Pfalz und Saarland im Vor¬
griff auf eine Reichsreform, zum anderen das Tauziehen um die Vereinigung der
Restkreise bzw. um deren Zugehörigkeit1.
Im Zuge der territorialen Vereinheitlichung im Reich, insbesondere mit dem Ziel
der Zusammenfassung der kleinen Länder zu größeren Einheiten, wie es das
Zweite Gleichschaltungsgesetz vorsah (ein Reichsstatthalter für mehrere Länder,
die weniger als 2 Millionen Einwohner hatten) hätte bei einer künftigen Neuglie¬
derung der Länder die Saar durchaus zur Disposition gestanden; bei der Ernen¬
nung der zehn Reichsstatthalter (abgesehen von Epp in Bayern) im Mai/Juni 1933
erhielten schließlich nur sechs ein größeres Land zugeteilt; aus weiteren kleineren
Territorien waren Reichsstatthalterbezirke gebildet worden (Lippe mit nur 250.000
Einwohnern). Solche Überlegungen standen für die Saar nach dem Abstimmungs¬
erfolg zwar nicht an, doch dachte Bürckel in dieser Hinsicht bereits weiter.
Gipfelten seine bisherigen Vorstellungen für die Saarlösung in der Schaffung eines
Reichsgaues mit hessischen, preußischen und badischen Gebietsteilen einschlie߬
lich Saarland und Pfalz, so schlug er in seiner Denkschrift vom 6. September 1935
die Bildung eines "Teil-Reichsgaues" vor: er unterbreitete ferner die Grundsätze
einer Reichsgauordnung, - einen regelrechten Gesetzentwurf für eine allgemeine
Reichsgauordnung mit eigener Steuerhoheit für die Gaue sowie einem detaillierten
Organisationsplan für den Aufbau der Reichsstatthalterbehörde2.
1 Sehr, des Reichskommissars v. 25.4.1935 mit dem Wunsch nach Eingliederung der Gemeinden Dör¬
renbach, Wetschhausen, Mainzweiler und Steinbach in den Kreis Ottweiler. Vgl. H.-W. Herrmann,
Pfalz und Saarland, S. 330-361.
2 Denkschr. v. 6.9.1935. BA Koblenz, R 43 11/496, Bl. 291-307. Bürckel an Lammers am 6.9. 1935,
ebd. R 43 11/497, Bl. 79ff. Vgl. auch das Sehr, des Reichs- u. Preuß. Arbeitsministers an Frick v.
18.9.1935. AA..betr. Die Rückgliederung des Saargebietes 1935, Bd. 6. Der Vorschlag Bürckels zu
einem Gesamtentwurf über die Schaffung einer Verwaltungseinheit Saar-Pfalz gern. Vermerk v.
28.9.1935 im RMdl. Ebd., Best. R 18, Nr. 5.411, Bl. 3-15.
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