Der Bevölkerung war per Gesetz jede Mitwirkung an kommunalpolitischen Ent¬
scheidungen versagt, so daß die Interpretation der Selbstverwaltung als
"Dezentralisation" letztlich an der Frage zu überprüfen wäre, ob der Bürgermeister
wirklich als der politische Repräsentant ("Führer") der Rechtspersönlichkeit Ge¬
meinde bezeichnet werden darf. Wie sehr auch die neuen Kommunalvertreter in
das gleichgeschaltete System eingebunden waren, zeigen deutlich die Protokollbü¬
cher der entsprechenden Ratsversammlungen, die keine Beschlüsse mehr ver¬
zeichnen, sondern nur noch ein "Ergebnis der Beratung" kennen, das fast durch¬
weg lautete: "Die Ratsherren sind mit dem Vorschlag (des Bürgermeisters) ein¬
stimmig einverstanden", gefolgt von der "Entschließung des Bürgermeisters": "Ich
genehmige hiermitDaß dieses kommunale "System" autokratische Neigungen
förderte, zumal wenn die Partei dem Amtsinhaber den Rücken stärkte, scheint
einleuchtend. Gerade in kleinen Gemeinden führte dies nach der Amtseinsetzung
zu spektakulären Auswüchsen; so z.B. wenn der Bürgermeister von Ormesheim zu
Druckmitteln und speziellen "Verhörmethoden" griff und sich dadurch so unbe¬
liebt machte, daß er von seinen Parteifreunden wieder abgelöst werden mußte. Ge¬
rade dieses Verhalten war es wohl, das in vielen, vor allem kleineren Gemeinden
Haßgefuhle entstehen ließ, die bis lange in die Nachkriegszeit wirkten. Die Ab¬
hängigkeit des Amtsinhabers von der Partei war nicht allein aufgrund seiner
Mitgliedschaft gegeben (sie galt allgemein als "freiwillig"), sondern wurde noch
verstärkt durch die Übernahme von Ämtern in Untergliederungen bzw. ange¬
schlossenen Verbänden, die wiederum von unterschiedlichem politischem Gewicht
waren; die Interessenlage war beiderseitig. So wie sich der Bürgermeister eine
Stärkung seiner Position versprach, so erwartete die Formation (z.B. SA oder SS)
ein entsprechendes Entgegenkommen. Die "Ausweichmanöver" von Bürgermei¬
stern ob solcher an sie herangetragener Forderungen scheinen auch von Parteiseite
entsprechend interpretiert worden zu sein, was in den Personalakten mit entspre¬
chend abwertenden und abfälligen Bemerkungen kommentiert wurde9.
9
Vgl. H. Matzerath, Nationalsozialismus, S. 229-260.
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