gement mit Hitler schon eher gelegen war. Zwar erreichte die Sowjetunion in dem
Abschluß des sowjetisch-französischen Protokolls vom 5. Dezember 1934, daß
kein Vertragspartner mit Deutschland eine politische Vereinbarung abschließen
konnte, ohne sich vorher mit der anderen Seite zu beraten; doch zielte Lavals Po¬
litik ohnehin eher auf Verständigung als auf Konfrontation. Gegenüber dem deut¬
schen Botschafter in Paris, Roland Köster, versicherte er am 7. Oktober 1934, daß
"er persönlich nichts aufrichtiger wünsche, als daß dieses Gebiet wieder zu
Deutschland zurückkehre"32; gleichzeitig distanzierte er sich von allen militäri¬
schen Maßnahmen, die Frankreich hinsichtlich des Saargebietes bisher ergriffen
hatte. Demgemäß stellte denn auch Max Braun zum Jahrestag der Saarabstim¬
mung am 13. Januar 1936 im "Pariser Tageblatt" fest, daß es (1935) "von nicht zu
unterschätzender Bedeutung gewesen (wäre), wenn Deutsche auf deutschem Boden
dem braunen System eine empfindliche Schlappe beigebracht hätten. Aber eben
das wollte die Genfer Diplomatie unter Führung des englischen Außenministers
Simon nicht. Die Schüsse, die am 9. Oktober 1934 in Marseille fielen, beseitigten
jenen Mann, der als Außenminister Frankreichs in seiner europäischen Konzep¬
tion der größere und erfolgreiche Gegenspieler der schwächlichen Verzichtspolitik
Simons gewesen war: Barthou"33.
Ein Ausweg konnte also zum gegenwärtigen Zeitpunkt höchstens über den Völ¬
kerbund erreicht werden, wenn es gelang, eine zweite Abstimmung für die Status
quo-Altemative durchzusetzen; diese Auffassung vertrat auch Litwinow am 6. De¬
zember 1934 vor dem Völkerbundsrat. Inzwischen hatte allerdings die Sowjet¬
union erkennen müssen, daß Frankreich auf den britischen Kurs, d.h. Nicht-Zulas¬
sung einer zweiten Abstimmung, eingeschwenkt war. In einem am 21. November
1934 geführten Gespräch mit Litwinow hatte Laval betont, daß er "mit Erleichte¬
rung aufatmen wird, wenn die Saar sich für Deutschland ausspricht. Jedoch ist er
sich darüber klar, daß, wenn sich die Saar bei Fehlen einer Deklaration über ein
Wiederholungsplebiszit für Deutschland ausspricht, ein solcher Vorgang das Hit¬
ler-Regime bedeutend stärken, ebenso wie ein Votum für den Status quo diesem
Regime eine starken Schlag versetzen würde"34.
Laval war auch nicht bereit, den Forderungen der Kommunistischen Partei Frank¬
reichs und Deutschlands bezüglich einer Unterstützung des Status quo-Modells für
die Saar in jeder Hinsicht Folge zu leisten, wenn auch zu diesem Zeitpunkt fran¬
kophile Gruppierungen an der Saar finanzielle Unterstützung von Frankreich er¬
hielten. Gegenüber dem polnischen Außenminister Josef Beck äußerte er während
eines Besuches in Warschau im Mai 1935: "Ich verfolge eine andere Politik als
32 Köster an das AA, Paris 7.11.1934. AD AP, Ser. c, Bd III/2, S. 573.
33 "Pariser Tageblatt" v. 13.1.1936.
34 Zit n. G. Rosenfeld, Die Sowjetunion, S. 50 (Anm. 13: Litvinov an das Narkomindel, Genf
21.11.1934, DVP SSS R, Bd. XVII, S. 685). Zur Politik der Sowjetunion und Deutschlands s. G. Ro¬
senfeld, Sowjetunion und Deutschland, S. 421-483. R.-D. Müller, Das Tor, bes, S. 253-261. Vgl. J. Hi-
den, Germany and Europe, S. 86-110 (Germany and Russia).
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